Vita 34 AG-Exklusivinterview: „Personalisierte Zellmedizin ist ein Megatrend“

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Am 18. Mai hat die Vita 34 AG (ISIN: DE000A0BL849) ihr neues Einstiegspreismodell „VitaPur“ vorgestellt. Das Ziel der zweitgrößten Stammzellbank in Europa: die Erschließung preissensibler Kundenschichten.

Nun legte die Leipziger Gesellschaft mit der Ankündigung nach, ihre F&E-Aktivitäten neu auszurichten und ein Kostensenkungsprogramm in Skandinavien umzusetzen. Das Nebenwerte-Magazin traf Dr. Wolfgang Knirsch, Vorstandsvorsitzender der Vita 34 AG, zum Exklusiv-Interview und sprach mit ihm u. a. über die neuen Schwerpunktfelder im Bereich Forschung & Entwicklung, die Ziele der Vision 2021 und die weitere Konsolidierung des Marktes.

Herr Dr. Knirsch, Vita 34 hat seine F&E-Aktivitäten im Zuge einer Neuausrichtung fokussiert. Auf welche Schwerpunktfelder wird sich Vita 34 im Bereich Forschung & Entwicklung zukünftig fokussieren?

Dr. Wolfgang Knirsch: Vita 34 hat in den vergangenen Jahren eine große Expertise im Bereich Stammzellen und Nabelschnurblut aufgebaut. Dies wird uns übrigens auch aus den Anfragen von potenziellen Partnern für verschiedene Entwicklungsprojekte zurückgespiegelt. Mit unserem bisherigen Angebot der Konservierung von Stammzellen aus Nabelschnurblut und -gewebe für einen eventuellen späteren Einsatz in der hämato-onkologischen oder regenerativen Medizin sind wir gewissermaßen Vorreiter der personalisierten Zelltherapie. Mit unseren F&E-Aktivitäten wollen wir über die Stammzellen hinaus weitere Zelltypen aus dem Nabelschnurblut, insbesondere Immunzellen, für zukünftige Therapien nutzbar machen. Ein zweiter Schwerpunkt fußt auf den fortgeschrittenen Aktivitäten zur Gewinnung von Stammzellen aus Fettgewebe. Auch hier wird es darauf ankommen, anwendungsfähige Zellen zu isolieren und für eine Anwendung unmittelbar verfügbar zu machen.

Warum haben Sie sich für diese beiden Bereiche entschieden? Welche Potenziale sehen Sie dort?

Dr. Wolfgang Knirsch: Im Kern haben wir uns von drei Prinzipien leiten lassen: Kompetenz im Unternehmen, Entwicklungsrisiko und Marktchancen.
Wir sind davon überzeugt, dass die personalisierte Zellmedizin einer der Megatrends ist, welche die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in der nächsten Dekade und darüber hinaus prägen werden. Die Basistechnologien und die Nachweise der therapeutischen Wirkung sind vorhanden. Immunzellen aus dem Nabelschnurblut haben potenziell dieselben Vorteile, wie auch Stammzellen: jung, teilungsfreudig und in der Regel nicht virenbelastet. Darüber hinaus könnten sie sich aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften in der therapeutischen Wirkung positiv von adulten Zellen unterscheiden. Entsprechende Ergebnisse aus diesem Bereich werden unmittelbar positive Impulse für unser existierendes Geschäftsmodell setzen und eröffnen weitere interessante Geschäftsmöglichkeiten als Lieferant von spezifischen Zellfraktionen.

Und dies gilt auch für Stammzellen aus Fettgewebe?

Dr. Wolfgang Knirsch: Stammzellen aus adultem Fettgewebe finden bereits heute breite Anwendung, z. B. in der ästhetischen Chirurgie und bei der Behandlung von Sportverletzungen. Alleine in Deutschland werden zurzeit ca. 180.000 Liposuktionen durchgeführt. Wir beherrschen bereits die Technik der Konservierung des hierbei anfallenden Gewebes. Die Relevanz eines solchen Produktes wird sich aber durch die Verarbeitung zu einem unmittelbar anwendungsfähigen Zell-Produkt deutlich erhöhen lassen.

Im Gegenzug haben Sie entschieden, Entwicklungsprojekte im Bereich pflanzlicher Stammzellen, die aus der Akquisition von BioPlanta im Jahr 2011 resultierten, einzustellen. Warum ist dies erfolgt und welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf Ihre mittelfristige Planung?

Dr. Wolfgang Knirsch: Nach dem Managementwechsel im Sommer 2017 wurden alle Geschäftsbereiche auf ihre kurz-, mittel und langfristigen Beiträge zur Entwicklung des Unternehmens überprüft. Dabei mussten wir feststellen, dass die F&E-Projekte im Bereich pflanzlicher Stammzellen bis zu einer eventuellen Kommerzialisierung erhebliche Investitionen benötigt hätten. Synergien zu unserem Kerngeschäft waren nicht zu erwarten. Wir haben daher im Vorstand beschlossen, die vorhandenen Ressourcen voll auf unser Kerngeschäft zu allokieren und uns damit in diesem Bereich kostenneutral zu verstärken.

Zudem haben Sie angekündigt, ab Juli 2018 ihre aktiven Vermarktungsaktivitäten in Dänemark, Schweden und Norwegen einzustellen. Was sind die Gründe dafür, dass Sie Ihre Ziele in Skandinavien nicht erreicht haben?

Dr. Wolfgang Knirsch: Der Erwerb der Stemcare im Jahr 2015 beinhaltete neben rund 18.000 Einlagerungen auch ein Herstellungslabor sowie eine Marketing- und Vertriebsorganisation. Das Unternehmen war zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht profitabel. Im Jahr 2016 wurde bereits in einem ersten Anpassungsschritt das Labor in Dänemark geschlossen und die Herstellung der Präparate an unseren Standort in Leipzig verlagert. Es war von Beginn an klar, dass das Neukundengeschäft ohne eine signifikante Steigerung nicht zukunftsfähig sein würde. Die nun erneut durchgeführte Analyse hat gezeigt, dass die von uns angebotene medizinische Eigenvorsorge in dem gegebenen politischen und sozialen Umfeld nicht profitabel angeboten werden kann.

Welche Ergebnisauswirkung erwarten Sie aus der Umsetzung des Kostensenkungsprogramms in Skandinavien?

Dr. Wolfgang Knirsch: Die Gesellschaft in Skandinavien wird das profitable Bestandskunden fortführen. Wir erwarten nach Verlusten in den vergangenen Jahren ab 2019 einen jährlichen positiven Beitrag von rund 500.000 Euro.

Die aktuellen Maßnahmen sind im Zuge der Umsetzung der Vision 2021 erfolgt. Was sind Ihre nächsten Schritte und welche Ziele verfolgen Sie mit der Vision 2021 konkret?

Dr. Wolfgang Knirsch: Die Vision 2021 beinhaltet eine Reihe von Bausteinen, um das Ziel von 10 Mill. Euro EBITDA zu erreichen. Wir reden hier von organischem und anorganischem Wachstum im In- und Ausland, Beiträge aus neuen Produkten und Kostenoptimierungen. Diese werden kontinuierlich in den kommenden Jahren zum Erreichen dieses Ziels beitragen und uns helfen, die unangefochtene Nr. 1 in Europa zu werden.

Wie sieht nach der Kehrtwende in Skandinavien nun Ihre weitere Internationalisierungsstrategie aus? Stehen weitere Länder auf dem Prüfstand? Haben Sie im Gegenzug neue Märkte im Visier?

Dr. Wolfgang Knirsch: Internationalisierung und geografische Ausweitung in interessante Märkte sind für uns der Schlüssel zum Erfolg. Dabei überprüfen wir ständig unsere Investitionen auf ihren jeweiligen Beitrag zum Unternehmenserfolg und treffen Maßnahmen, um die jeweiligen Engagements zu verbessern. Das können, wie in Skandinavien, Kostensenkungsmaßnahmen zur Verbesserung der Profitabilität sein, aber auch mit Augenmaß durchgeführte Investitionen für langfristiges Wachstum.

Im Mai haben Sie die Einführung eines neuen Preismodells „VitaPur“ zur Erschließung preissensibler Kundenschichten angekündigt. Ist dies auch als Strategieschwenk zu interpretieren? Welche Erwartungen haben Sie mittelfristig an das neue Produkt?

Dr. Wolfgang Knirsch: VitaPur ist für uns ein strategisches Element, das in den kommenden Jahren zum Umsatzwachstum und zu einer verbesserten Wahrnehmung von Vita 34 beitragen wird. Mit VitaPur bedienen wir das Segment gesundheitsbewusster und aufgeklärter junger Eltern, die nur ein begrenztes Budget zur Verfügung haben. Damit erschließen wir uns ein Kundensegment, das uns bisher nicht zugänglich war. Gleichzeitig erwarten wir uns aber auch einen Spill-Over-Effekt für unser existierendes Portfolio, das unseren Kunden auf lange Sicht preislich attraktive Alternativen bietet. Zudem positionieren wir uns durch die bei VitaPur obligatorische Typisierung der Präparate als relevanter Anbieter für allogene Präparate und vervielfachen die Aussicht auf den Einsatz der eingelagerten Nabelschnurblutdepots.

Sie haben angekündigt, in der weiteren Konsolidierung des Marktes weiterhin eine aktive Rolle spielen zu wollen. Bedeutet dies, dass Ihre Aktionäre weitere Akquisitionen erwarten dürfen? Haben Sie dabei in erster Linie die geographische Ausdehnung im Blick oder steht die Erweiterung der Wertschöpfungskette im Vordergrund?

Dr. Wolfgang Knirsch: Es gibt in Europa einige attraktive Ziele, die uns bei der geographischen Marktausweitung auch kurzfristig voranbringen können. Bei der Beurteilung von Akquisition sind für uns die Angemessenheit des Preises und die strategische Komponente von Bedeutung. Für die mittel- und langfristigen Ziele sind wir auch für Investitionen in eine Ausweitung der Wertschöpfungskette offen.

Herr Dr. Knirsch, besten Dank für das Interview.


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Dr. Wolfgang Knirsch | Vorstandsvorsitzender der Vita 34 AG

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Dr. Wolfgang Knirsch, Jahrgang 1960, ist seit Juni 2016 im Vorstand der Vita 34 AG und wurde im Juni 2017 zum Vorstandsvorsitzenden der Vita 34 AG berufen.

Nach erfolgreichem Abschluss seiner Promotion in Anorganischer Chemie an der RWTH Aachen wechselte Herr Dr. Knirsch 1992 von der institutionellen Forschung in die pharmazeutische Industrie.

Dr. Knirsch begann diesen Karriereschritt im Vertrieb und Marketing der Hoechst AG. Später war er für das Produktmanagement international relevanter ethischer Präparate des Nachfolgeunternehmens Aventis Pharma GmbH engagiert. Nach einem Wechsel zur Merck KGaA verantwortete er unter anderem das New Business sowie das nationale Marketing für den wichtigsten Präparatesektor des Unternehmens. 2005 übernahm Dr. Knirsch die Leitung des strategischen und operativen Marketings der Biotest AG. Nach der erfolgreichen Umstrukturierung und Neuausrichtung dieses Bereichs vollzog er im Jahr 2011 einen Wechsel in den internationalen Geschäftszweig. In seiner Funktion als Vice President International Business entwickelte er einen mit mehreren 100 Mio. Euro strategisch relevanten Verantwortungsbereich mit weltweiten Vertriebspartnern erfolgreich weiter.


Kurzinfo zum Unternehmen

Kerngeschäft der Vita 34 AG ist die Gewinnung, Aufbereitung und Einlagerung von Stammzellen aus Nabelschnurblut und -gewebe. Vita 34 arbeitet in einem hochregulierten Markt mit langwierigen Zulassungsprozessen, sowohl bei der Nutzung von Nabelschnurblut auch von Nabelschnurgewebe, welches unter das Organtransplantationsgesetzt fällt.

Damit möglichst viele Menschen mit einem Stammzelldepot für die Gesundheit Ihrer Kinder vorsorgen können, kooperiert Vita 34 mit rund 800 Entbindungseinrichtungen in Deutschland, was einer Marktabdeckung von 95 % entspricht.

Unser Geschäftsmodell ist auf nachhaltiges Wachstum ausgerichtet, das langfristig Werte für gegenwertige und zukünftige Generationen schafft.

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Prime Standard | Der CEO der Vita 34 AG im Exklusivinterview

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