Wirecard AG (ISIN: DE0007472060) sagt STOP. Die einzige Möglichkeit die Diskussionen und immer wieder aufgewärmten Bilanzmanipulationsvorwürfe
seitens der FT zu beenden ist die jetzt beauftragte Prüfung der Vorwürfe. Eine Prüfung durch einen namhaften Wirtschaftsprüfer: Mit KPMG hat Wirecard eine der großen und akzeptierten Gesellschaften gewählt. Offenlegung aller Ergebnisse des Prüfers, egal ob sie genehm sind oder nicht (hier hat beispielsweise Steinhoff International Holdings NV gekniffen unter dem Hinweis „um wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden“): Wirecard sagt hier klar, dass der Bericht – also der gesamte Bericht – veröffentlicht werden wird. Selbstverständlich kann eine Prüfung nur so umfassend sein, wie umfassend die Unterlagen und Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Auch hier spielt Wirecard mit, in dem uneingeschränkter Zugang zu allen Informationen und Ebenen (also auch Tochtergesellschaften) zugesagt wird. Problem wird der Zeitaufwand sein. Ein solcher Bericht wird Zeit erfordern und in dieser Zeit wird Wirecard nicht zur Ruhe kommen. Deshalb ist, solange die Prüfung läuft, nicht mit einer Erholung der Aktie oder einem „Business as usual“ zu rechnen. Dennoch kann so eine Untersuchung auch nicht „übers Knie gebrochen “ werden. KPMG hat einen Ruf (und auch Haftungsfragen) zu wahren. Wirecard ist mit einem „larifari-“ Bericht ebenfalls nicht gedient. Also ist Geduld angesagt.
„Die Untersuchung soll unverzüglich beginnen. KPMG wird zu gegebener Zeit einen Untersuchungsbericht vorlegen und ist allein dem Aufsichtsrat gegenüber verpflichtet. KPMG hat uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen auf allen Konzernebenen. Das Ergebnis dieses Berichts wird veröffentlicht. Thomas Eichelmann, Vorsitzender des Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat und früherer CFO der Deutsche Börse AG, wird die Untersuchung auf Wirecard-Seite begleiten.“
Genau so sollte ein solcher Ermittlungsauftrag ausehen: Transparent, Selbstverantwortlich und Unabhängig. Anders macht es auch keinen Sinn.
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Auch die Führung hat es erkannt – ENDLICH
Nachdem in der Wochenendausgabe der FT (noch) in einem Interview mit dem AR-Vorsitzenden Matthias die Sinnhaftigkeit einer Sonderprüfung verneint worden ist und er wohl noch von der Vergesslichkeit der Märkte ausgegangen war, hat über Nacht ein Sinneswandel stattgefunden. Vielleicht haben auch die am Freitag weiter fallenden Aktienkurse ihren Anteil daran gehabt. Jedenfalls vernimmt man heute Morgen Herrn Wulf Matthias, der Vorsitzende des Aufsichtsrats folgendermaßen:„Wir haben vollstes Vertrauen in die bisherigen Prüfungshandlungen und deren Ergebnisse. Wir gehen davon aus, dass die erneute unabhängige Prüfung dazu führt, alle weiteren Spekulationen endgültig zu beenden.“
Markus Braun, Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG. „Ich bin überzeugt, dass durch die unabhängige Untersuchung das Vertrauen in unser erfolgreiches und stark wachsendes Geschäft gestärkt wird.“
Ungeeignet ist noch die beste Umschreibung des vorletzten Schritts
Bis freitags Nachmittag gegen 16:00 Uhr hielt sich die Wirecard Aktie noch so einigermaßen bei 116,00 EUR – im Minus, angeschlagen, aber dann versuchte Wirecard gegenzusteuern. Es wurde eine News um 16:04 veröffentlicht, die man sich besser gespart hätte. Inhalt: Wirecard startet Rückkaufprogramm über 200 Mio EURO, beginnend kurzfristig.
Von einem Rückkaufprogramm sprach man bei Wirecard erstmals, als sich Softbank mit einer Wandelanleihe an Wirecard beteiligte -900 Mio. EURO die Wirecard eigentlich nicht unbedingt brauchte. Vielmehr interessierte Wirecard das Potential aus dem Softbankumfeld für weitere Expansion und neue Partnerschaften. Also wirklich überraschend ist das Rückkaufprogramm nicht, aber das Timing ist mehr als unpassend. {loadmodule mod_custom,Sentifi Text Widget}
Aber bestimmt kein Zückerchen!
Das wohl ein Zeichen gesetzt werden sollte durch dieses Rückkaufprogramm, mag ja sein. ABER WIE KANN MAN DENKEN, dass 200 Mio. EURO irgendetwas in den Köpfen der Anleger ändern könnten? Täglich verliert – in geringerem Umfang gewinnt – die Wirecard Aktie Milliarden, zumindest aber hundert oder mehr Millionen. Was soll da ein Betrag von 200 Mio. EURO ändern? Offensichtlich sahen viele dieses Programm eher als mißglückten Ablenkungsversuch vom Wesentlichen. Jedenfalls fiel Wirecard wieder in Richtung der Tiefs, die kurz nach Bekanntwerdern der neuen Vorwürfe bei 107,50 EUR getestet wurden.
Neues Tagestief bei 111,65 EUR bei XETRA-Schluß
Und nur leicht im späteren Handel aufgeholt. Ein klassisches Eigentor der wohl nervös werdenden Verantwortlichen von Wirecard. Die Entwicklung läßt für Montag viele Fragen offen. Vertrauen gibt es nur für Belege, Beweise und seriöse Aufarbeitung, nicht für -blind erscheinenden – Aktionismus. Und wie will man mit einer Schaufel Sand einen brechenden Damm stopfen? Hier ist anderes nötig.
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Kurze Chronologie der Ereignisse
Dienstag, Tag 1: DER Angriff von FT: Umsätze Wirecards seien manipuliert, Dubai Gesellschaft sei einigen der angeblichen Kunden unbekannt, die Umsätze dieser Gesellschaft zweifelhaft, interne Wirecard-Papiere lägen vor, die WP-Täuschung und wesentliche Umsatzerfindungen in Dubai und Irland wahrscheinlich erscheinen ließen. UND hier spricht die FT von wesentlichen Umsatzanteilen der Wirecard (gesprochen wird von 2016er Manipulationen) die reine Luft seien! Und Wirecard sagt dazu am selben Tag: „Wirecard weist diese Anschuldigungen von Fehlverhalten kategorisch zurück. (…)“ . Der Analyst der DZ Bank beließ am Tag 1- als ERSTER STELLUNG BEZIEHEND – seine Einschätzung von Wirecard bei einem Kursziel von 185,00 EUR und scheint die FT-Aussagen als falsch zu betrachten.Er ignoriert bewust die Umsatzmanipulationsvorwürfe und urteilt so eindeutig zu Gunsten Wirecards. Die anderen Analysten hielten sich noch zurück.
Der Kurs von Wirecard brach am Tag 1 des neuen FT Angriffs erst mal auf 107,00 EUR (von 140,10 EUR am Vortag) ein und erholte sich dann wieder auf 122,75 (18:47 Uhr, Frankfurter Handel).
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Mittwoch Tag 2: Es kommen von Wirecard Argumente, die offensichtlich aufgrund der anschließenden Kursentwicklung als zu allgemein, zu wenig „belegt“ eingestuft. Klare Botschaft für Wirecard: Man muss mehr liefern, was man dann ja auch zusagte, aber eben erst in einigen Tagen. Die Argumentation Wirecards bezieht sich oft auf unterschiedliche Bezeichnungen, die für Außenstehende – FT – nicht nachvollziehbar sind und so auch zu den falschen Beschuldigungen geführt hätten, kurzes Beispiel: Der Kunde x, sei nicht der Kunde x, der später gar nichts mehr über Wirecard abgewickelt hätte, sondern sei Namensgeber für eine Kundengruppe gewesen, die immer noch über Wirecard abwickle. Wie gesagt als zu schwach eingeschätzt. Wirecard muss also nachlegen im Interesse der Aktionäre und im Interesse der eigenen zukünftigen Entwicklung. Von der Analystengilde meldeten sich weitere zu Wort: Bankhaus Metzler nimmt Wirecard von der Liste der 10 aussichtsreichsten Aktien, aber belässt die Einschätzung und das Kursziel der Aktie. Übersetzt könnte (!) man meinen: Zwar glaubt man eher Wirecard als der FT, aber die charttechnische Eintrübung durch diesen abermaligen Kurssturz aufgrund von Pressemeldungen und die möglicherweise weiteren FT-Attacken, stören einfach eine „unbeeinflusste“ Kursentwicklung des DAX-Wertes. Warburg sieht – könnte man deuten – den Streit zwischen FT und Wirecard als eher sportlichen Wettkampf ohne Auswirkungen auf die Einschätzung und Bewertung der Wirecard-Aktie. Independent Research nimmt das Kursziel auf 140,00 EUR zurück – auch hier eher aufgrund des „zerstörten“ Chartbildes und potentieller weiterer Attacken der FT. Beim Operativen scheint man weiterhin Wirecards Zahlen zu glauben. Interessant ist, dass eigentlich bisher keiner die FT-Veröffentlichung als „Wahrheit“ nimmt und Wirecard entsprechend „zusammenstreicht“. Bei „überführten“ Bilanzbetrügern – und die FT spricht von bis zu einem Drittel der Umsätze – würde man doch eher einen Nullwert ansetzen?
Am Tag 2 blieb nun eine richtige Kurs-Erholung in Richtung „Vorveröffentlichungskursniveaus“ aus. Zuviel Unsicherheit, zuviel Angst vor weiteren Enthüllungen, ob nun wahr oder nicht, hält die Anleger ab. Erholungsversuche Richtung 125,00 EUR gingen die Luft aus. Am Ende war man wieder bei 120,00 EUR
Donnerstag, Tag 3: Interview des CEO Braun, der natürlich alles bestreitet. Wilde Spekulationen greifen Raum, wieviel wahr ist von den FT-Vorwürfen und wie relevant die Vorwürfe sind. Intern wird wohl unter Hochtouren an einer Widerlegung der FT-Aussagen gearbeitet. Man bittet um etwa sGeduld – nachvollziehbar. Die Staatsanwaltschaft München läßt sich auf jeden Fall zitieren, dass man wegen Marktmanipulation ermittle – wohl nicht wegen Bilanzbetrug? Oder sind die Ermittlungen wegen Kursmanipulation nur die eine Seite der Medaillie? HSBC senkt das Kursziel von 225,00 EUR auf „nur“ ncoh 190,00 EUR, bleibt aber bei BUY, Argumente analog Independent oder Warburg wahrscheinlich. Governance Day wird angemahnt. Weitere Analysten handeln ähnlich oder halten sich noch mit Wertungen zurück.
Der Kurs am Tag 3 hielt sich leicht unter 120,00 EUR- Ruhe eingekehrt auf niedrigem Niveau.
Freitag, Tag 4: Am Freitag schießt die Financial Times wieder. Diesmal könnte man sagen „unfair“: Gebetsmühlenhaft die „unanswered questions“ zu wiederholen mit dem klaren Stand der Dinge, dass Wirecard erklärt hat; aufgrund der Komplexität der Fragestellungen etwas Zeit für die Einzelheiten zu brauchen, ist einfach nur provokant. Trägt eigentlich nichts zur Aufklärung bei, außer vielleicht Aufmerksamkeit und Auflage. Und um 16:04 Uhr das wirkungslose Announcement des Aktienrückkaufs.
Kurs fällt nach dem angekündigtem Rückkauf wieder tief auf 111,65 EUR (XETRA- Schluß 17:36 Uhr)
Tag5/6: Interview des AR-Vorsitzenden in der FT mit der Verneinung der Notwendigkeit einer Sonderprüfung, ohne große positive Wirkung; ansonsten wilde Spekulation im Netz, nichts konkretes am Wochenende.
Tag 7: Eine unabhängige Untersuchung durch KPMG wird angekündigt. Der Kurs erholt sich wieder richtung 120,00 EUR, da wo man vor dem Rückkaufprogramm auch noch handelte.
Bei diesen vielen Einzelheiten ist nun kein Zurück mehr möglich – ENDSPIEL. Wie bereits gestern bei dem pauschalen „NEIN WIR MACHEN DAS NICHT.“ kann man sich nun um so mehr fragen: Wird ein DAX-Unternehmen ein solches Statement veröffentlichen, wenn ein Drittel des Umsatzes Fake ist? Wird E&Y einen solchen Umsatz ungeprüft akzeptieren und sein Testat erteilen? Wäre Wahnsinn, aber es gab ja Beispiele: Enron, Madoff, Steinhoff, Flowtex…
Und nicht vergessen, dass das …
.. Tagesgeschäft bei Wirecard muss weitergehen. Natürlich ist allein der Imageschaden geschäftsschädigend und -verhindernd für Wirecard. Die gebunden Managementkapazität ist „unproduktiv“ und wird bestenfalls Querschüsse zuküntig vermeiden oder unglaubwürdiger machen können. Einziges Zeichen von Normalität bei Wirecard war die Mitteilung einer neuen Kooperation mit der Schweizer Post – untergegangen im FT-Sturm.