Erneuter Millionenauftrag für die Softing AG (ISIN: DE0005178008): Die 100%-Tochter Softing Automotive Electronics hat die Ausschreibung eines deutschen Premium-Autokonzerns gewonnen. Der Exklusivauftrag für die Ausrüstung der Produktion hat ein Volumen von bis zu 20 Mio EUR. Das Nebenwerte-Magazin hat bei Softing-CEO Dr. Wolfgang Trier nachgefragt und mit ihm über die aktuelle Order in der „Königsklasse“ Produktion, den „gigantischen Auftragsbestand“ sowie die Erwartungen für das zweite Halbjahr gesprochen: „Die Nachfrage zieht seit Juni wieder deutlich an.“ Allein die mangelnde Verfügbarkeit elektronischer Bauteile bremst Softing derzeit noch. Dennoch peilt Dr. Trier für das laufende Geschäftsjahr ein deutliches Umsatzwachstum an.
Herr Dr. Trier, die Softing AG hat die Ausschreibung eines Großkunden gewonnen. Worum geht es genau?
Dr. Wolfgang Trier: Bei der Produktion von Fahrzeugen müssen die vielen verbauten elektronischen Steuergeräte noch während der Produktion mit Software befüllt werden. Die Industrie spricht von „bedaten“ oder „flashen“. Der Umfang der Datenmengen stösst bei der nächsten Fahrzeuggeneration unseres Kunden an eine Grenze, bei der mit den bisherigen Mitteln die benötigten Datenmengen in der von der Fertigung vorgegebenen Zeit schlicht nicht mehr in das Fahrzeug geladen werden können.
Hierzu hat Softing ein neues technisches Konzept erstellt und dessen Wirksamkeit anhand von Prototypen nachgewiesen. Der Auftrag hat ein direktes Volumen von mehr als 10 Mio. Euro an Service- und Produktleistungen. Inklusive erwarteter weiterer Umsätze in ähnlicher Größenordnung summiert sich das Volumen auf rund 20 Mio. Euro und wird sich über die nächsten fünf bis sechs Jahre verteilen.
Wie konnten Sie sich gegen die Konkurrenz durchsetzen?
Dr. Wolfgang Trier: In erster Linie ging es dem Kunden darum, die bestehenden Grenzen zu sprengen und ein zukunftssicheres Konzept einzukaufen, dass auch bei weiter steigenden Anforderungen die Möglichkeit zu einer weiteren Leistungssteigerung bietet. Voraussetzung ist natürlich, dass der Lieferant in der Lage ist, ein hochverfügbares, d. h. in höchstem Maße ausfallsicheres System für die Produktion zur Verfügung zu stellen. Bei Ausfall dieses Systems würde jedes neu gefertigte Fahrzeug direkt auf den Parkplatz für Nacharbeiten gefahren werden. Was das schon nach wenigen Fahrzeugen bedeutet, kann man sich leicht ausmalen.
Sie betonen, dass dieser Auftrag die Produktion des Premiumherstellers betrifft. Warum ist Ihnen dieser Punkt so wichtig?
Dr. Wolfgang Trier: Die Produktion ist im Automobilsektor gewissermaßen die Königsklasse. Bei Entwicklung und Service kann man technische Probleme vergleichsweise einfach und in Ruhe lösen. Die Produktion stellt die Systeme jedoch vor besondere Herausforderungen, denn sie muss unter allen Umständen „laufen“ und das unter großem Zeitdruck. Dass sich unsere 100%-Tochter Softing Automotive Electronics hier in einem harten Auswahlprozess gegen die Konkurrenz durchgesetzt hat, macht uns sehr stolz.
Wird Ihnen dieser aktuelle Auftrag als auch „Türöffner“ bei weiteren Kunden dienen können?
Dr. Wolfgang Trier: In erster Linie sehen wir dies als einen Türöffner bei diesem Kunden für weitere Leistungen in diesem Umfeld. Die erstellte Lösung enthält unsere Technologie, ist aber individuell an die spezifischen Randbedingungen des Kunden angepasst. Ohnehin unterliegen die Details der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht. Allerdings kennen sich die Hersteller untereinander recht gut. Allein das Wissen, dass uns eine solche Aufgabe anvertraut wurde, zeigt auch Dritten, welche technische und organisatorische Zuverlässigkeit Softing Automotive leistet.
Wie läuft es generell derzeit im Automotive-Sektor? Wie sehr leiden Sie unter den besonderen Herausforderungen, denen sich die Automobilbranche derzeit gegenübersieht?
Dr. Wolfgang Trier: Für Softing läuft es im Automobilsektor gut. Wir hängen nicht direkt an den Absatzzahlen der Hersteller und haben uns auch breiter diversifiziert: Heute decken wir Kunden ab, die Schneemobile, Freizeitfahrzeuge, Pkws und schwere Lkw produzieren. Bereits im März konnte Softing Automotive einen 12-Mio.-Euro-Auftrag von einem großen deutschen Premiumhersteller vermelden. Wir erwarten aus diesem Segment im laufenden Jahr noch weiteren, sehr guten Newsflow.
Wie zufrieden sind Sie generell mit dem bisherigen Jahresverlauf? Gibt es auch Segmente bzw. Tochtergesellschaften, die Ihnen aktuell Sorge bereiten?
Dr. Wolfgang Trier: Die Nachfrage war zu Jahresbeginn sehr gut, litt dann erheblich unter der Nachrichtenlage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und zieht seit Juni wieder deutlich an. Wir gehen davon aus, im ersten Halbjahr ein Umsatzwachstum in zweistelliger Höhe zu erreichen. Das halten wir für das derzeitige konjunkturelle Umfeld schon für recht ordentlich.
Sie sprechen den von Russland geführten Krieg gegen die Ukraine an. Sind Sie vom Ausfall von Exporten nach Russland betroffen?
Dr. Wolfgang Trier: Nein, wir hatten ein gut wachsendes Geschäft im Bereich der IT Networks mit einem starken Partner in Russland im Umfang von rund 500 TEUR jährlich. Das ist zunächst und absehbar vom Tisch. Ich würde mir auch ohne die geltenden Sanktionen damit extrem schwertun. Russland führt Krieg gegen Europa, die Ukraine ist nur der erste Schritt auf diesem Weg. Wenn wir uns dem Streben Russland nach Restitution des sowjetischen Einflussbereichs nicht mit aller Kraft widersetzen, ungeachtet temporärer wirtschaftlicher Auswirkungen, stehen Russen absehbar wieder auf deutschem Boden. Es mag kurzfristig einige wirtschaftliche Verwerfungen geben, aber das können wir abfedern. Auf mittlere Sicht wird die reguläre russische Wirtschaft meiner Einschätzung nach ohnehin kaum noch existent sein. Softing konzentriert sich auf andere Märkte.
Mit welchen Erwartungen sind Sie ins zweite Halbjahr gestartet? Wie hoch ist Ihre Visibilität für das Jahresendgeschäft?
Dr. Wolfgang Trier: Wir verfügen über einen gigantischen Auftragsbestand, den allein die mangelnde Verfügbarkeit elektronischer Bauteile von der Realisierung als Umsatz abhält. Wären alle benötigten Bauteile verfügbar, könnten wir allein im zweiten Halbjahr mehr Umsatz machen als in den besten Gesamtjahren je zuvor. In jedem Fall rechnen wir aber unverändert mit einem deutlichen Umsatzwachstum im Gesamtjahr 2022.
Herr Dr. Trier, besten Dank für das Interview.
Dr. Wolfgang Trier | CEO der Softing AG
Wolfgang Trier, Jahrgang 1964, ist seit 2002 Vorstand der Softing AG. Er studierte Nachrichtentechnik an der RWTH Aachen. Im Anschluss folgten fünf Jahre Forschungsarbeit über parallele Rechnerarchitekturen in Sensorik und Prozesstechnik samt Promotion als Elektroingenieur an der RWTH. Parallel dazu studierte er Betriebswirtschafts-lehre und schloss auch dies mit einer Promotion ab. Anschließend arbeitete er fünf Jahre für eine namhafte Unternehmensberatung zunächst im Bereich operative Exzellenz und Innovation¬management. Die letzten zwei Jahre dieser Zeit führte er mit Schwerpunkt Sanierungsprojekte im In- und Ausland.
2002 kam Wolfgang Trier als Vorsitzender des Vorstands zur Softing AG und leitete die Sanierung der damals stark defizitären Gesellschaft, die rein national orientiert war. Nach der erfolgreichen Sanierung baute er mit mehr als 10 Firmenakquisitionen und organischem Wachstum das global orientierte Geschäft der Softing auf, die er in drei Segmente neu gliederte. Heute werden mehr als 50% von Umsatz und EBIT außerhalb Deutschlands generiert.
Kurzinfo zum Unternehmen
Softing ist eine weltweit agierende Management-Holding mit Sitz in Haar bei München. Die Softing Gesellschaften erstellen und vertreiben Hard- und Software in den Unternehmenssegmenten Automotive Electronics, Industrielle Automatisierung und IT Networks. In enger Kundenbeziehung werden technologisch hochwertige Standardprodukte sowie individuelle Lösungen realisiert. Softing operiert mit allen drei Unternehmenssegmenten in Wachstumsmärkten.