Steinhoff International Holdings NV (ISIN: NL0011375019) hat nun endlich nach der gefühlt hundertsten Verschiebung zumindest die Bilanzen 2017 geliefert.
Spannender als jeder Krimi teilt Steinhoff am gestrigen Tag um 17:25 als DGAP News mit, … Nein nicht was jeder erwartet, die 2017er Bilanz, die für diesen Tag zugesagt ist, nein es gibt eine weitere Ankündigung: Man sei bemüht heute die Bilanz zu veröffentlichen für 2017 und falls man dieses schaffen würde, dann würde die Bilanz auf der Homepage der Gesellschaft im Laufe des Abends veröffentlicht werden. Wohlgemerkt, sofern man es schaffe, ansonsten würde (auch) auf der Homepage am Abend oder in der Nacht eine neue Ankündigung erfolgen – wahrscheinlich über den neuen Veröffentlichungstermin. Toll. Professionell ist auf jeden Fall anders. {loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
Formuliert wird das ganze wie folgt: „The Company is scheduled to publish its audited financial statements for the year ended 30 September 2017 today. The Company still aims to publish its audited 2017 Financial Statements later tonight. Once released the details will be available on the Company’s website http://steinhoffinternational.com/Should the Company find that it is not achievable to release these results a further announcement will be made later tonight. If such an announcement is made, it will also be published on the company’s website.“
Und dann wird es Abends, der PWC Bericht über die kriminellen Machenschaften bis 2017 bietet sich zur Lektüre an. Wesentlich ist, dass Offshorekonstrukte genutzt wurden, um Phantasieumsätze zu generieren und das über viele Jahre. Beginnend mit läppischen 326 Milllionen Fakeumsatz in 2009, steigend und mit immer neuen Pseudogeschäftspartnern und alten Pseudos bis 2017. Im Jahre 2017 stehen wohl 997 Millionen Phantasieumsatz zu Buche, wahrscheinlich nur deshalb weniger als die 1,35 Mrd. des Jahres 2016, weil man Ende 2017 aufgefallen war und wohl nicht ungestört zu Ende buchen bzw. Luft-Buchen konnte.
Über die Jahre 2009 bis 2017 wurden so insgesamt 6,506 Mrd. Umsatz erfunden…
und diese Umsätze wurden in Form von gegenstandslosen Darlehen oder Vermögensgegenständen in den Bilanzen verscharrt. Welch eine kriminelle Energie. Angeblich weiss man noch nicht, wem die Offshore-entities zuzurechnen sind. Jedenfalls ist wohl keiner mehr aus dem verantwortlichen Management jetzt noch bei Steinhoff. Die Essenz nochmals im Original: „The PwC Report finds that certain Steinhoff Group entities recorded sales to, or received benefits or income from,entities that were purportedly independent of the Steinhoff Group but which now appear to be either closely related to and/or have strong indications ofcontrol by the Steinhoff Group or certain of its former employees and/orthird parties orformermanagement.The PwC Report details the income from fictitious and/or irregular transactions identified during the PwC investigation that was recorded by the Steinhoff Group for FY 2009 to FY 2017 from the purportedly independent third parties …“ und weiter „The income from these transactions was in many instances not paid by theso-calledindependent entities to the Steinhoff Group, resulting in loans or other receivables owed to the Steinhoff Group that had little or no economic substance and, which,as such were neversettled.„{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
23:45 DIE BILANZ ist da
Kurz vor Mitternacht wird der ausführliche Bilanzbericht veröffentlicht. Der reale Umsatz der Gruppe betrug zum 30.09.2017 – testiert und jetzt wohl auch belegt – 18,8 Milliarden Euro. Der Anstieg von 16,1 Milliarden Euro im Vorjahr begründet sich im wesentlichen im Ankauf der Mattres Inc. Also:„For the 12 months to 30 September 2017, the Company’s consolidated net sales were €18.8 billion, compared with €16.1 billion for the 15 months to 30 September 2017.“
Der reale Gewinn betrug 765 Millionen Euro in 2017. D.h. er hätte diese Höhe erreicht, wenn nicht die riesigen Abschreibungen aufgrund der betrügerischen Phantasiebuchungen jetzt notwendig gewesen wären. Also: „Due to the level of abnormal transactions impacting each year, the Management Board have chosen to disclose, in addition to the disclosed EBITDA, Sustainable EBITDA that excludes such abnormal transactions (refer to Financial Review section). Sustainable EBITDA was €765 million in 2017 while it was €753 million in 2016“
Nicht so schlecht, aber lange nicht das, was die Verantwortlichen damals kommunizierten, um ihre – man muss wohl sagen – wahnsinnige Expansion um jeden Preis zu finanzieren.
Einen Vorgeschmack auf den Umfang der verbrecherischen Energie der alten Verantwortlichen geben folgende Zahlen, die für sich sprechen:
- Über 11 Mrd Euro Abschreibungsbedarf in 2017 wegen der Unregelmässigkeiten!
- Über 1,5 Mrd weniger ausgewiesenen Gewinn aufgrund der Unregelmässigkeiten in 2017.
- Ein um über 8,2 Mrd. Euro geringerer Bilanzeröffnungswert in 2017 aufgrund Korrekturen, die in 2016 nötig wurden.
- 3,7 Mrd. Verlust in 2017 (im Vergleich zum erzielbaren EBITDA von 765 Mio. EUR ohne die zu korrigierenden Luftbuchungen)
WAHNSINN. Weitere Einzelheiten werden wir nach einer ausführlichen Auswertung der jetzt vorliegenden Bilanzen liefern. Eine Fussnote bleibt noch, dass die steuerlichen Implikationen der betrügerischen Buchungen noch nicht umfassend bewertet werden können – könnte Steinhoff vielleicht ein paar Millionen einbringen. Ein schwacher Trost, aber besser als nichts.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
Positiv
Die vorliegenden Unterlagen scheinen auf den ersten Blick zielführend, transparent und wohl auch das Wesentliche erfassend. Die Neuen scheinen erkannt zu haben, dass nur absolute Transparenz das Unternehmen noch retten kann. Gleichzeitig findet sich in dem Bericht eine Unmenge an Munition gegen ehemalige Verantwortliche, die damaligen Wirtschaftsprüfer und andere potentielle Anspruchsgegener. Man denke nur an die emittierenden Banken der Steinhoffanleihen. Ob das reicht für Steinhoff, hängt von vielen unbekannten, unberechenbaren Faktoren ab. Den Umfang der betrügerischen Vorgänge hat der Markt ja schon geahnt, so dass es leider keine große Überraschung ist von den vielen Milliarden Luft zu lesen..{loadmodule mod_custom,Sentifi Text Widget}
Was ist bis jetzt sonst noch so gelaufen bei Steinhoff?
Mitgeteilt erst am 30.04.2019, unvermitttelt und als Vorgriff auf die nun veröffentlichten Bilanzen 2017 zu verstehen: Neben der wiederum notwendig gewordenen Abschreibung von weiteren 1,8 Milliarden Euro auf den Firmenwert und immaterielle Güter, den die Verursacher des Bilanzdebakels – auch durch falsche Zahlen – in große Höhen gejagt hatten, gab es auch noch in den letzten Wochen einiges an Bewegung. Jedenfalls stehen jetzt, nach der gefühlt hundertsten Korrektur in den Steinhoffbilanzen „nur“ noch 7,2 Milliarden unter der Rubrik Firmenwerte und Immaterielle Güter. Überraschend war diese Abschreibung jedenfalls nicht, lediglich das Timing überraschte. Und wie gesagt, was noch so geschah:
Umschuldung der Anleihen
Nachdem bereits im letzten Jahr eine breite Zustimmung zu den Umschuldungsplänen bei den Anleihegläubigern erzielt werden konnte, werden nun die von LSW erreichten weiteren Zugeständnisse der Steinhoffden Gläubigern zur endgültigen Entscheidung vorgelegt. Hoffentlich zum letzten Mal mit einer entsprechend breiten Zustimmung, um diese Baustelle endgültig zu beseitigen. Als (Zwischen-)Frist ist der 31. Mai genannt. Reicht.„Whilst a number of the Omnibus Proposed Amendments are minor, technical or administrative in nature, certain of them will require the approval of the certain majorities of relevant creditors. SEAG and SFHG are in the process of finalising the Omnibus Proposed Amendments and it is anticipated that SEAG and SFHG will request the relevant consents by way of a separate CVA consent request in due course.“{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
Belohnungen – aber wie
Steinhoff hat klargestellt im letzten Monat unter welchen Bedingungen und in welchen Fristen zugesagte Stillhalteprämien und Unterstützungs-„belohnungen“ an die Forderungsinhaber ausgezahlt werden. Insbesondere wurden die Compliance relevanten KYC-formulare benannt und den entsprechnden Agenturen uberstellt. KYC-Formulare enthalten die relevanten Angaben eines Kunden respektive Anspruchsberechtigten. Dh. Die Ansprüche der Kreditgeber, die der Gesellschaft die Luft zum Atmen gelassen haben durch entsprechende freiwillige Stillhalteabkommen, erhalten ihre Belohnungen erst nach einer Überprüfung. Lästig aber professionell und üblich. Auch wenn der fade Beigeschmack des Spielens auf Zeit entstehen könnte.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (5 Aktien)}
Liquidität auf Holdingebene
Die Gesellschaft ist sich hier bewust, dass die Kapitalflüsse und die zukünftigen Entwicklungen genau betrachtet und antizipiert werden müssen, um potentielle Liquiditätsengpässe zu vermeiden. „The Company continues to actively monitor cash flows and manage other liabilities (including contingent claims, tax and bilateral facilities) as well as funding needs that may arise at the subsidiary level.“
Conforama – wieder liquide
Rechtsstreitigkeiten
Hier wird nochmals auf das Stillhalteabkommen mit den Klageführern in den Niederlanden bis zum 15. Mai verwiesen: „As announced on 2 April 2019, the Company and investment group VEB/European Investors have agreed to extend the suspension of the collective action between them in The Netherlands until 15 May 2019.“
Weiterhin relevant ist der Antrag, der Handelskammer Amsterdam gestellt wurde, der die Ernennung eines Ermittlers und weiterhin eines neutralen Boardmitglieds fordert. Zweiteres um die aktuelle Informationspolitik des Unternehmens auf Korrektheit zu überprüfen. Dieser Wunsch wurde von einer Aktionärsgruppe gestellt und wird am 23. Mai im Rahmen einer Anhörung bei der Handelskammer wohl entschieden werden. „Separately, as announced on 21 February 2019, the Company has received a petition by a group of shareholders for inquiry proceedings before the Enterprise Chamber of the Amsterdam Court of Appeal (the „Enterprise Chamber“). The petition includes a request to appoint an Investigator as well as an additional member of the Supervisory Board of the Company whose role will include oversight that information is provided to shareholders adequately and in the context of any inquiry to be ordered by the Enterprise Chamber. A hearing is scheduled to take place on 23 May 2019.“{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
Ausstehende Bilanzen
Hier steht man bei Steinhoff immer noch nicht zu 100% zu den bereits mehrfach korrigierten Terminen. Man verweist auf die Schwere und Komplexität der Materie und kommt immer noch nur zu einer GESCHÄTZTEN Terminnennung, also niemand sollte sich über eine weitere Verschiebung wundern. Offen nach der 2017er Bilanz sind noch: Genannt werden der 18. Juni für die 2018er Bilanz und vorläufig der 28. Juni für die untestierten Zwischenergebnisse 2019, die natürlich von der Terminierung der Vorjahresbilanzen abhängen und – zu erwarten – verschoben werden. Unken sei hier erlaubt. „As announced on 5 April 2019, whilst substantial progress has been made towards finalising the Company’s financial statements for financial years 2017 and 2018, incorporating the outputs from the PwC forensic investigation have proved to be exceptionally complex and time consuming from both an accounting and audit perspective. In light of this, and despite significant efforts being exerted by all parties, the Company now estimates that it will publish its consolidated financial statements on the following dates(…).“
Corporate Governance
Um zukünftig dem Kapitalmarkt als glaubwürdiger Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, wurde im Rahmen der Neuaufstellung der Managementstruktur der Steinhoff Gruppe die neue Funktion des „Chief Compliance and Risk Officers“ geschaffen. Ernannt wurde Louis Strydom für diese Position mit Wirkung zum 1. Juli 2019. Spät aber immerhin.
Weiterhin trennte man sich Knall auf Fall von Alexandre Nodale. Fast wie im Krimi. Seine Position als „Deputy CEO“ auf Konzernebene, bei Ausbruch der Bilanzkrise geschaffen, wird jedenfalls nicht mehr neu besetzt. Überflüssig durch den neuen CEO Louis du Preez, der am 1. Januar 2019 seine Position antrat.“The post of Deputy CEO was created in the aftermath of the discovery of accounting irregularities at the Group in late 2017. With the financial restructuring of the Group entering its final stages, and with Louis du Preez in post as permanent CEO with effect from 1 January 2019, the Group does not expect to appoint a new Deputy CEO to its Management Board.“
Auch sind in naher Zukunft weitere neue Namen zu erwarten, um vakante Positionen in der Holding und in Zwischenholdinggesellschaften neu zu besetzen. Hier scheint man schon in fortgeschrittenen Verhandlungen zu sein. Wobei es bestimmt nicht leicht sein wird hierfür die erste Garde zu akquirieren. Bis jetzt kennt man ja nicht einmal die wirklichen Geschäftszahlen der Jahre 2017 oder 2018 – fast ein Vabanque Spiel.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Managementschwerpunkte
Steinhoff definiert selber die Hauptaufgaben für das Management wie folgt. Endgültiger Abschluss der Umschuldungsabkommen der Anleihengläubiger und Umsetzung. Nach Klärung der letzten Widerstände (Stichwort LSW) dürfte dieses möglich und kurzfristig umsetzbar sein. Insbesondere gab es ja bereits Mehrheitsvoten für die Vorschläge der Steinhoff, die nun sogar zu Gunsten der Gläubiger verändert wurden. „Obtaining consent to the amendments and modifications to the SEAG CVA and the SFHG CVA ahead of launch of the implementation process and otherwise planning for the implementation of the Restructuring.“
Weiter geht es darum die neuen Mitglieder des Managements in den Restrukturierungsprozess einzubinden und mit ihm vertraut zu machen.
Aufrechterhaltung und Steuerung der begonnen Stabilisierung der Gruppe inclusive Controlling und Früherkennung möglicher Liquiditätslücken aus dem fortgeführten operativen Geschäft. „Maintaining stability across the Group and managing the ongoing operations of the Group, including actively monitoring cash flows, supporting operating performance, managing other liabilities and funding needs that arise at the operating company level.“
Abliefern der – von PWC verantworteten – revidierten und neu-testierten Jahresabschlüsse 2017 und 2018. Inclusive der Auswertung der Ergebnisse, um für die Steinhoff Gelder zurück zu fordern, die entzogen wurden.
Enger Austausch mit allen Anspruchsgruppen, insbesondere Schadensersatzforderungen betreffend, und Aufsichtsbehörden sei essentiell für die Zukunft der Gesellschaft.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
Der Bericht schließt, wie immer in den letzten Monaten mit dem wohl für viele zu spät kommenden Rat: „Shareholders and other investors in the Company are advised to exercise caution when dealing in the securities of the Group.“
In diesem Sinne: Es bleibt weiter spannend. Insbesondere darf man gespannt sein, ob es dem Management gelingt, die Gläubiger und die -mit großer Wahrscheinlichkeit siegenden – Kläger aus dem Kreis der Aktionäre und Anleihegläubiger, davon zu überzeugen, dass ein Komplettkonzern Steinhoff International Holding NV mehr Wert für die Anspruchsgruppen liefert, als eine weitere Filetierung des Konzerns und – unter weniger Druck als bisher – Veräußerung der Einzelteile. Nur wenn dieses gelingt könnte die Wette der derzeitigen Aktionäre auf eine operative Besserung und Sanierung der Steinhoff International Holding NV mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aufgehen. Selbst für diesen Fall ist aber immer noch eine Verwässerung durch Aktienausgabe an Anspruchsinhaber zu fürchten, vergleiche Modell der Mattres.
Und jetzt warten auf die 2018er Bilanzen und auf die 2019er Bilanzen, man gewöhnt sich langsam daran. Und was ist der wahre Wert der Steinhoff Aktie in diesem Wartespiel? Der REST-Wert hängt immer noch und hauptsächlich an dem Ausgang der Rechtstreitigkeiten respektive der Forderungen der Geschädigten und der sich geschädigt Fühlenden.
Gestern (07.05..2019 / Handelsende 17:35 Uhr) notierten die Aktien der Steinhoff International Holdings AG im Xetra-Handel bei 0,127 EUR.