Aktienmärkte auf Rekordkurs, hohe Volatilität, schlagzeilenträchtige Entwicklungen bei Einzelwerten und dazu Negativzinsen auf Guthaben – eine perfekte Vorlage für Brokerage-Firmen. Und genau so sehen deren Zahlen aus: Rekorde über Rekorde – beim Umsatz, beim Gewinn und bei der Börsenkapitalisierung.
Und so ist eine ganze Branche im Höhenrausch. In diesen Boomzeiten lieferte flatexDEGIRO ein mehr als gutes Quartalsergebnis für die ersten drei Monate, dass selbst in solchen rekordträchtigen Zeiten überraschen konnte. Und dann die logische Konsequenz: Die Zielkundenzahl gegenüber der schon optimistischen Vision 2025 wurde nochmals mehr als verdoppelt. Bis zu 8 Mio. Kunden und 350 Mio. Transaktionen sollen es werden. Grössenwahn? Eigentlich nicht – passt in die Branche, die keine Wachstumsgrenzen mehr zu kennen scheint.
Und heute dann das erste Halbjahr – Bremsspuren des Wachstums erkennbar. Weniger als im Q1!
In der offiziellen Unternehmensmeldung finden sich zu Recht Superlative: Mit 500.000 Neukunden im ersten Halbjahr erreicht man einen Anstieg der Gesamtkundenzahl auf 1,75 Millionen per Juni 2021 (+74% gegenüber Juni 2020 pro-forma und +41% gegenüber Dez 2020). Stark. 40 Mrd EUR betreutes Depotvolumen bedeuten 198 % mehr als im Juni 2020 und 53 Mio Transaktionen im ersten Halbjahr sind 41% mehr als im ersten Halbjahr 2020. So weit so gut. Aber auf den zweiten Blick zeigt sich:
H2-Update: Am 19.08. will Nel wohl das Desaster der Q1 Zahlen vermeiden. Man gibt den Analysten Hinweise für Q2 an die Hand.Ob das wirklich der Aktie hilft?
KW30: Enge Handelsspanne, am Ende Minus 0,8 % auf Wochensicht. News von Steinhoff, BioNTech, PREOS, Nel, Hamborner, Grenke, … . Korrektur oder Party voraus?
Deutlich wird die gebremste Entwicklung im Vergleich mit dem Q1: Von den 500.000 Neukunden kamen 360.000 im Q1 – bleiben rund 140.000 im zweiten Quartal „übrig“. Oder wie es flatexDEGIRO grob geglättet vorrechnet: „Netto-Kundenzuwachs von über 500.000 in H1 2021 (~ 3.000 pro Kalendertag)“. Hier hilft eine Durchschnittsbildung zu beeindruckenden Zahlen. Was aber wenn die 1.550 Neukunden pro Tag „die neue Wahrheit“ sind, sind dann die noch „übrigbleibenden 250 bis 450 Tausend Neukunden“ für 2021 noch zu schaffen? Wohl eher am unteren Ende der Prognose.
NACHTRAG 02.08.2021, 13:20 Uhr: flatexDEGIRO AG – CFO und CEO versuchen mit Insiderkäufen Vertrauen aufzubauen. Gegen den Kurseinbruch reicht das allein wohl nicht.
flatexDEGIRO Management steuert gegen – jetzt muss um weiteres Wachstum gekämpft werden
„Die exzellente operative Performance bestätigt unsere Prognosen und Visionen: flatexDEGIROs enorme Neukundengewinnung geht über reine Saisonalität und Marktschwankungen hinaus. Mit erstklassigen Produkten und Dienstleistungen zu attraktiven Preisen sind wir auf dem Weg, Online-Brokerage in Europa in der Breite zugänglich zu machen.“, sagt Frank Niehage, CEO der flatexDEGIRO AG. „In den kommenden Monaten werden wir wichtige neue Produktangebote und Dienstleistungen für unsere Kunden in ganz Europa einführen, die das Handeln und Investieren für alle noch attraktiver machen. Damit erhöhen wir weiter unsere Schlagkraft auf dem Weg zur Marktführerschaft in jedem unserer Wachstumsländer in Kontinentaleuropa, insbesondere in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und der Schweiz.“
publity könnte jetzt mit der 2020er Bilanz der Tochter PREOS wieder in die Verkaufsverhandlungen einsteigen. Wenn nur nicht…
Neukunden werden wieder „umkämpft sein“ – ob da flatexDEGIRO immer die erste wahl sein wird?
Könnte erfolgversprechend sein – in den Pandemiezeiten konnten Kunden mit relativ wenig Werbeaufwand gewonnen werden, jetzt beginnen Neukunden wieder „etwas zu kosten“ – auch hier Normalität kehrt zurück. Sollte natürlich zu Lasten der Gewinne gehen. Aber mittel- und langfristig gut angelegtes Geld. Fragt sich ob die Konditionen von flatexDEGIRO attraktiv genug gegenüber dem Wettbewerb sind, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen. Es scheint das der Wettbewerb hier durchaus punkten könnte – nicht nur die Neobroker mit ihren „kostenlos“-Traden Angeboten mit eingeschränktem Handelsspektrum, sondern auch die „Kampfpreise setzenden neuen Player. Wir haben seinerzeit mit Matthias Hach, dem Neuen bei der wallstreet:online AG (ISIN: DE000A2GS609) gesprochen, die mit ihrem Smartbroker beim demnächst wohl wieder in den Fokus kommenden „Kampf um den Neukunden“ bessere Karten haben könnte. Auf jeden Fall lesenswert: Das große W:O Interview: „Die Transformation der wallstreet:online.“ CEO M. Hach exclusiv über die Zukunft und Gegenwart.
Und flatexDEGIRO könnte so langsam in die Rolle der attackierten „langsamen Dampfer“, wie bisher die klassischen Banken, Sparkassen und Volksbanken, geraten. Angegriffen auf der Kostenseite in Deutschland geht flatexDEGIRO vielleicht genau den richtigen Weg: Ausserhalb Deutschlands Neukunden suchen. Oder wäre eine Gebührenoffensive nicht eher geeignet?
Und die Unternehmensergebnisse?
flatexDEGIRO hat im Q1 insgesamt 33,6 Millionen Transaktionen abgewickelt- waren 94 Prozent mehr als in Q1/20 – und im Q2 kamen „nur“ knapp 20 Mio hinzu. Ergibt für das Halbjahr einen Zuwachs von rund 41 %. Normalisierung. Natürlich der kräftig gestiegenen Kundenbasis der vergangenen Monate geschuldet.
Und aus der amalphi AG (ISIN: DE0008131350) wurde nach dem erfolgreichen Reverse-IPO die medondo Holding AG – EXCLUSIVINTERVIEW MIT DEM CEO PETER BIEWALD – EHRGEIZIGE ZIELE. SPANNEND.
H2: Neue Fronten auf dem Markt für CO2-freie Transporter/Minibusse. Renault/Plug Power’s HYVIA gegen Mahle/Ford. Ausgang offen.
Die Umsatzerlöse stiegen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 um 126,6 Prozent auf 226,1 Millionen Euro (H1 2020: 99,8 Millionen Euro, in Q1 134,9 Mio Euro). Aufgrund der hohen Skalierbarkeit des Geschäftsmodells und des starken operativen Hebels konnte flatexDEGIRO die adjusted EBITDA-Marge um 2,2 Prozentpunkte auf 47,6 Prozent steigern (1. Halbjahr 2020: 45,4 Prozent). Dies gelang trotz deutlich höherer variabler Marketingkosten zur Unterstützung der langfristigen Wachstumsstrategie (+ 9,5 Mio EUR gegenüber 1. Halbjahr 2020), die sich erst nach Ende des Berichtszeitraums in Umsatzwachstum auszahlen werden. Das adjusted EBITDA erreichte 107,7 Millionen Euro, eine Verbesserung von 137,1 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 (45,4 Millionen Euro).
Bremsspuren auch beim EBITDA-Wachstum: Aus 73 Mio EUR im Q1 wurden auf Halbjahressicht 107,7 Mio EUR. Normalität kehrt zurück. Kundenakquise kostet wieder Geld. Und der Aktienkurs der flatexDEGIRO hat möglicherweise schon viel von der beeindruckenden Vision 2025 vorweggenommen? Auf jeden Fall könnte der von flatexDEGIRO angestrebte Aufstieg in den MDAX noch mal bestätigend wirken. Sofern es dem Unternehmen nicht so geht wie der Siemens Energy nach dem aufstieg in den DAX. Klar der Vergleich hinkt. Aber die Zeit der regelmässigen Prognoseerhöhungen scheint erstmal vorbei.
Neue Vision 2025 beeindruckt
Aufgrund der positiven Börsen-Entwicklungen und dadurch gestiegenen Erwartungen hatte der Vorstand der flatexDEGIRO AG beschlossen, seine mittelfristigen Wachstumsziele deutlich anzuheben und eine neue 5-Jahres-Vision bekannt zu geben: flatexDEGIRO strebt an, 7-8 Millionen Brokerage-Kunden zu betreuen und 250-350 Millionen Trades pro Jahr abzuwickeln – auch in Jahren mit geringer Marktvolatilität. Das Management erwartet daraus im genannten Fünfjahreszeitraum kumuliert mehr als EUR 1 Mrd. an operativem Cashflow zu erzielen.
flatexDEGIRO würde so zu einem Player auf Augenhöhe mit „den grossen Banken“
Die neue Prognose stellt eine deutliche Anhebung gegenüber der zuvor kommunizierten Vision für das Jahr 2025 („Vision 2025“) dar. Die Vision 2025 ging von einem Kundenwachstum auf mehr als 3 Millionen und einer Mindestanzahl an abgewickelten Transaktionen von 100 Millionen pro Jahr aus. Und natürlich kann davon ausgegangen werden, dass das erwartete, beschleunigte Wachstum einen signifikant positiven Einfluss auf Umsatz, Ergebnis und Free Cashflow haben wird.