Scale | Noratis AG im Interview: „Unser Markt ist sehr groß, da ist…“

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Die Noratis AG ist in einem speziellen Segment tätig, manche würden sagen, die wollen das, was keiner will. Wieso? Wir wollen das Konzept verstehen und haben deshalb um ein Interview gebeten.

Herr Speth, die Noratis AG bezeichnet sich selbst als Bestandsentwickler von Wohnimmobilien in Deutschland. Was genau ist darunter zu verstehen?

Andre Speth: Die Noratis AG kauft gerne in die Jahre gekommene Wohnungen, bei denen technisches oder kaufmännisches Entwicklungspotenzial besteht. Diese Wohnungen werten wir durch gezielte Investitionen so auf, dass sie attraktiv und zugleich bezahlbar für Mieter sind. Die Immobilien halten wir zunächst im Bestand oder verkaufen sie mittelfristig als Block oder auch im Rahmen einer Privatisierung. Wir kombinieren so die Vorteile eines Bestandshalters mit denen eines Projektentwicklers, denn wir erzielen stabile Mieteinnahmen und erwirtschaften eine Zusatzrendite aus der Entwicklung, ohne die bei Projektentwicklungen sonst üblichen Risiken.

Die Beschreibung der Immobilien, die für Sie für einen Ankauf interessant sind, liest sich ja fast wie eine Horrorliste: Leerstand, Renovierungsstau, Städte ab 10.000 Einwohner – warum können ausgerechnet Sie aus solchen Immobilien etwas machen?

Andre Speth: Wir sind ein etablierter Player am Markt, der über die Erfahrung aus zahlreichen erfolgreich abgeschlossenen Projekten verfügt. Die wichtigen Bereiche unserer Wertschöpfungskette decken wir dabei durch eigene Mitarbeiter ab, so dass wir bereits beim Ankauf eine fundierte Investitionsabschätzung unter Risiko-Rendite Aspekten vornehmen können. Dazu gehört auch, dass unsere Aufwertung der Objekte nicht auf die Schaffung von Luxusimmobilien zielt, die an den Standorten sicher fehl am Platz wären. Sondern wir wollen am jeweiligen Standort die Wohnungen mit dem attraktivsten Preis-/Leistungsverhältnis bieten. Wir investieren daher auch in das Wohnklima vor Ort, steigern also die Mieterzufriedenheit, was eine langfristig rentable Immobilie überhaupt erst ermöglicht – auch und vor allem für unsere Aktionäre.

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Ist die Größe ab 20 Wohneinheiten nicht unheimlich kleinteilig? Kommen die Angebote eigentlich eher von lokalen Maklern, Banken oder wer ist ihr zuverlässigster „Deallieferant“?

Andre Speth: Wir verfügen über ein sehr breites Netzwerk, zu dem Makler und Banken ebenso gehören wie auch Geschäftspartner, die bereits erfolgreich mit uns zusammengearbeitet haben. Durch unsere jahrelange Tätigkeit haben wir uns in diesem Bereich einen Namen gemacht. Der kleinteilige Einkauf ist dabei sicher vergleichsweise zeitintensiver als der Ankauf größerer Pakete. Wir sehen hier aber zwei entscheidende Vorteile: Zum einen sind die Preise in diesem Bereich wesentlich moderater, da hierauf nicht so viele Investoren fokussiert sind. Zum anderen ist dieser Markt vom Transaktionsvolumen relativ stabil. Dies macht sich natürlich auch beim Ankauf bemerkbar.

Gibt es Immobilien, die Sie länger im Bestand halten wollen oder ist immer ein Verkauf nach „Aufwertung“ das Ziel?

Andre Speth: Durch den Verkauf aufgewerteter Immobilien vereinnahmen wir die Entwicklerrendite, was sich deutlich bei unserer Profitabilität zeigt und uns weiteren Spielraum für neue Objektankäufe bringt. Wann konkret wir ein Objekt veräußern, entscheiden wir dabei im Einzelfall. Immerhin sind attraktive Mietrenditen auch interessant und so können wir ohne Zeitdruck agieren.

Was macht Noratis selber, wofür brauchen Sie externe Dienstleister? Wir denken hier an die gesamte Kette inklusive Renovierung, Vermietung, Verwaltung, Hausmeisterservice usw.

Andre Speth: Die Kernaufgaben entlang unserer Wertschöpfungskette – vom Einkauf, der Technik und dem Asset Management bis hin zum Vertrieb – decken wir durch Inhouse-Know-how ab. Hierfür stehen uns rund 50 Mitarbeiter zur Verfügung. Das Property Management übernehmen externe Dienstleister, die von uns gesteuert werden. Auch bei den baulichen Maßnahmen setzen wir auf externe Partner. Durch diese Kombination ist zum einen die Qualität unseres Prozesses gesichert und zum anderen sind wir bei den Kosten größtmöglich flexibel.

Wie groß ist denn der aktuelle Immobilienbestand?

Andre Speth: Aktuell haben wir über 2.100 Wohnungen im Bestand mit einer Mietfläche von über 140.000 m². Wenn man die Transaktionen hinzurechnet, bei denen der Nutzen-Lasten Übergang voraussichtlich mit Jahresende erfolgt, sind es sogar über 2.400 Wohneinheiten mit einer Mietfläche von mehr als 165.000 m². In einigen Objekten sind zudem noch vereinzelt Gewerbeeinheiten, also z.B. ein Kiosk oder eine Bäckerei im Erdgeschoss.

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Im Verhältnis zu anderen Immobiliengesellschaften sind Sie eher klein. Was macht die Noratis AG ihrer Meinung nach für Anleger spannend?

Andre Speth: Wir sind mit unserem Geschäftsmodell zwischen klassischen Wohnungsbestandshaltern und Projektentwicklern angesiedelt. Dies bedeutet ein sehr interessantes Chancen-/Risiko-Verhältnis. Anleger dürfen von uns eine deutlich höhere Rendite erwarten als beim Bestandshalter, ohne die Risiken eines Projektentwicklers eingehen zu müssen. Zudem agieren wir durch unsere Fokussierung auf B- und C-Lagen und kleinere Portfolios in einem weniger zyklischen Markt, der wesentlich stabiler ist als andere Immobiliensegmente. Wichtig ist außerdem, dass wir bei der Entwicklung eines Standorts die Interessen aller Stakeholder im Blick haben. Wir renovieren deshalb in der Regel nur leerstehende Wohnungen und freuen uns, wenn die bestehenden Mieter gerne in ihren Wohnungen bleiben.

Sie wollen weiter wachsen, finden Sie in dem aktuellen Marktumfeld überhaupt noch interessante Objekte?

Andre Speth: Wir haben auch 2019 unseren Immobilienbestand weiter ausgebaut. Vor kurzem haben wir ja Zukäufe in Neuruppin, Leipzig, Magdeburg und Krefeld vermeldet. Hier helfen uns natürlich unsere Marktexpertise und unser Netzwerk sowie unsere Fokussierung auf kleinere Portfolios an B- und C- Standorten. Auch wenn überall von hohen Immobilienpreisen die Rede ist, wir können weiter attraktiv einkaufen und wollen das auch weiter tun.

Wie sieht die räumliche Verteilung Ihres Portfolios aus? Gibt es Regionen, in die Sie zukünftig stärker investieren wollen?

Andre Speth: Wir sind ein deutschlandweit aktiver Immobilieninvestor. Unser Portfolio erstreckt sich von Schleswig-Holstein, über Rügen bis nach Rheinland-Pfalz. Wichtig ist uns dabei, dass das Objekt und der Standort Entwicklungspotenziale versprechen. Ein Schwerpunkt unserer Investitionen ist aktuell im Rhein-Main-Gebiet zu sehen, was sicher auch an unserem Standort Eschborn liegt.

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Kommen wir zu den Zahlen der Noratis AG. Welche sind Ihrer Meinung nach die aussagekräftigsten Kennzahlen für den Aktionär oder potenziellen Investor? Sie bilanzieren ja nach HGB.

Andre Speth: Anleger achten bei uns vor allem auf das operative Ergebnis, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern. Im 1. Halbjahr 2019 lag dieses bei rund 8,8 Mio. Euro. Hier fließen die Mieteinnahmen sowie die gehobenen Wertzuwächse aus Immobilienverkäufen ein. Wertzuwächse bei Objekten, die wir weiter im Bestand haben, zeigen sich hingegen nicht in diesem Ergebnis. Dies unterscheidet das deutsche HGB von der internationalen Bilanzierung. Es entstehen so stille Reserven in der Bilanz, das Eigenkapital der Gesellschaft ist also höher als es bilanziell aussieht.

Dafür, dass ein nennenswerter Teil ihrer Erträge aus Objektverkäufen stammen, sind ihre Ergebnisse erstaunlich stabil. Auch dieses Jahr soll das Ergebnis auf dem Niveau der beiden Vorjahre liegen. Woran liegt das?

Andre Speth: Wir entwickeln mehrere Standorte gleichzeitig, so dass jedes Jahr ca. 2 bis 3 Portfolios in die Vermarktung gehen. Hieraus hat sich eine Glättung der Ergebnisse ergeben. Wir wollen natürlich weiter wachsen, so dass zukünftig auch eine größere Zahl Objekte verkauft werden könnte. Es ist aber auch möglich, dass wir kleinere Portfolios gebündelt veräußern oder auch im Einzelfall Objekte länger im Bestand halten. Hier entscheiden wir im Einzelfall.

Die Noratis AG schüttet rund 50 % des Ergebnisses aus. Im vergangenen Jahr waren es 1,30 Euro je Aktie. Können Sie schon eine Aussage zur Ausschüttung für 2019 treffen? Wäre das Geld nicht besser in die weitere Expansion investiert?

Andre Speth: Mit der Ausschüttungsquote von 50 % wollen wir zum einen Ergebnisse nutzen, um den Immobilienbestand weiter auszubauen. Zum anderen aber auch unsere Aktionäre an der positiven Unternehmensentwicklung direkt beteiligen. Auf Basis der für 2018 gezahlten 1,30 Euro liegt die Dividendenrendite beim aktuellen Kurs bei immerhin rund 6 %. Eine Aussage zur Dividende für 2019 zu treffen, ist noch zu früh. Durch unsere Ausschüttungsquote und unsere Prognose für das Geschäftsjahr 2019 hat der Aktionär aber schon eine Vorstellung, in welche Richtung es gehen kann.

Die Noratis AG notiert nun rund 2,5 Jahre an der Börse. Haben sich ihre Erwartungen an den Kapitalmarkt erfüllt? Warum sind Sie eigentlich an die Börse gegangen?

Andre Speth: Wir sehen den Börsengang unverändert als richtige Entscheidung. Durch das eingesammelte Geld konnten wir wie geplant deutlich wachsen. Zudem hat die Bekanntheit der Gesellschaft im Zuge der Börsennotierung deutlich zugenommen, was sich auch operativ bemerkbar macht. Und auch die Banken schätzen die Transparenz einer börsennotierten Gesellschaft, was sich bei unseren Finanzierungskonditionen positiv zeigt. Unser Ziel, durch den Börsengang weiter profitabel zu wachsen, haben wir also umsetzen können. Die Anleger haben durch hohe Dividenden und einem über dem Ausgabepreis liegenden Kurs davon profitiert.

Als Nebenwert ist es schwierig, auf die Aktie aufmerksam zu machen. Was unternehmen Sie, damit die Noratis AG am Kapitalmarkt sichtbar ist?

Andre Speth: Wir bieten Anlegern auf unserer Website umfangreiche Informationen, wie z.B. aktuelle Unternehmensentwicklungen oder umfassende Researchberichte. Selbstverständlich stehen wir auch im regelmäßigen Austausch mit Journalisten und Investoren und präsentieren die Noratis AG regelmäßig auf Kapitalmarktkonferenzen. Transparenz und ein hohes Maß an Aktivität sind notwendig, um als kleine Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Aber das war uns beim Börsengang bereits klar.

Wie hoch ist derzeit der Streubesitz Ihrer Aktie und wer sind die Hauptaktionäre?

Andre Speth: Unser Streubesitz beläuft sich auf rund 49 %, die anderen Anteile liegen bei drei Investoren. Zu Ihnen gehört auch Igor Bugarski, der CEO der Noratis, der rund 18,5 % der Aktien hält.

Wird sich daran zukünftig etwas ändern? Planen Sie, sich Kapital über die Börse in Form einer Kapitalerhöhung zu holen?

Andre Speth: Als wachsende Immobiliengesellschaft ist Finanzierung natürlich ein wichtiges Thema. Wir schauen hier aber aktuell eher auf die Fremdkapitalseite, wobei wir derzeit vor allem bilaterale Darlehen interessant finden. Eine Kapitalerhöhung ist momentan nicht geplant.

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Bevor wir zu einer Gesamtbetrachtung kommen, möchten wir Sie bitten, kurz zu einigen Stichworten Stellung zu beziehen:

Übernahme: Wir wollen weiter wachsen und kaufen bevorzugt kleinere Portfolios. Auch die Übernahme von kleineren Immobiliengesellschaften können wir uns natürlich theoretisch vorstellen, wenn der Preis stimmt. Ob wir selber interessant sind als Übernahmekandidat, kann ich nicht sagen.

Konkurrenz: Konkurrenz belebt das Geschäft. Unser Markt ist sehr groß, da ist Platz für weiteres Wachstum.

Aktienkurs: Sollte mittelfristig die Geschäftsentwicklung und Geschäftsaussichten widerspiegeln.

Wichtigstes Ereignis im letzten Jahr: Ich möchte hier kein besonderes Ereignis herausheben.

Worst Case für die Noratis: Wenn der Neubau von Wohnungen auf einmal günstig möglich wäre.

Wachstum: Unser Ziel für die kommenden Jahre, dabei haben wir aber stets die Profitabilität im Blick.

Fremdkapitalanteil bei Einzelobjekten: Der Mix machts aus Eigen- und Fremdkapital.

Klumpenrisiko: Haben wir nicht.

Danke für die Einschätzungen. Wenn Sie 2019 Revue passieren lassen. Gibt es etwas, was sie im Nachhinein anders gemacht hätten?

Andre Speth: Ich bin mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden. Natürlich hätte man im Nachhinein vielleicht die eine oder andere Entscheidung etwas anders gefällt, aber die Richtung stimmt.

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen. Wo sehen Sie Noratis Ende 2020?

Andre Speth: Weiter auf profitablem Wachstumskurs. Natürlich ist es schwer, eine Schätzung über die möglichen Ankäufe 2020 abzugeben, aber klar ist, wir wollen weiter wachsen.

Damit nicht genug, wie sieht Ihre Vision für die kommenden 5 Jahre aus?

Andre Speth: Noratis kann deutlich größer werden. Der Markt gibt es her und wir haben eine hervorragende Plattform aufgebaut, bei der sich zukünftig die Kosten deutlich unterproportional zum Portfolio entwickeln können. Diese Skaleneffekte wollen wir nutzen. Die Basis unserer erfolgreichen Geschäftsentwicklung wird aber weiter bleiben, die Interessen aller Stakeholder, vom Aktionär bis zum Mieter, im Blick zu haben. So schaffen wir langfristig Werte.

Herr Speth, vielen Dank für das Interview.


Chart: Noratis AG | Powered by GOYAX.de
 

André Speth | Vorstandsmitglied

noratis andre speth

Seit 2015 bei Noratis, verantwortlich für Finanzierung, Controlling, Investor Relations und IT

Langjährige Tätigkeit im Real Estate Investmentbanking (u. a. Morgan Stanley und Deutsche Bank).

Begleitung von zahlreichen Kapitalmarkttransaktionen (u. a. Börsengang von LEG)

Studium der Betriebswirtschaftslehre an der European Business School in Oestrich-Winkel

Kurzinfo zum Unternehmen

 

Die Noratis AG ist ein führender Bestandsentwickler von Wohnimmobilien in Deutschland. Das Unternehmen schafft und erhält attraktiven sowie gleichzeitig auch bezahlbaren Wohnraum für Mieter, Selbstnutzer und Investoren. Dafür erwirbt Noratis bundesweit in die Jahre gekommene Wohnungsportfolios, meist Werkswohnungen, Quartiere und Siedlungen in Städten ab 10.000 Einwohnern, sowie in Randlagen von Ballungsgebieten. Diese Immobilien wertet Noratis nachhaltig auf, reduziert Leerstand und schafft ein positives Wohnklima für alle Bewohner. Nach erfolgreicher Entwicklung werden die Objekte mittelfristig an Investoren bzw. im Einzelvertrieb an bestehende Mieter, Kapitalanleger und Selbstnutzer veräußert. Garant für den Erfolg und die profitable Unternehmensentwicklung ist dabei der Anspruch, über alle Entwicklungsschritte hinweg einen spürbaren Mehrwert für alle Stakeholder zu schaffen: Von Investoren, Mitarbeitern und Finanzierungspartnern bis hin zu bestehenden und zukünftigen Mietern. Seit Juni 2017 ist die Noratis AG an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet.

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