Vor fast genau einem Jahr führten wir ein Interview mit der Noratis AG (ISIN: DE000A2E4MK4). Jetzt wurde es Zeit, mal wieder nach den aktuellen Entwicklungen zu fragen und wie der Vorstand die Zukunft sieht.
Das Jahr 2020 ist fast vorüber, wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsverlauf?
André Speth: Das Jahr 2020 war sicher herausfordernd, aber wir sind mit dem Geschäftsverlauf sehr zufrieden. Unser Ziel, den Immobilienbestand in Deutschland deutlich auszubauen, haben wir erreicht: Aktuell haben wir über 3.400 Wohnungen im Bestand, nach rd. 2.400 Einheiten Ende 2019. Das ist eine Steigerung von über 40 Prozent. Alleine im ersten Halbjahr 2020 konnten wir so laufende Mieteinnahmen von rd. 8,0 Mio. Euro erzielen, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 35 Prozent.
Ein Meilenstein im Geschäftsjahr war sicher der Einstieg der Merz Real Estate Anfang des Jahres?
André Speth: Mit Merz an der Seite konnten wir unseren geplanten Wachstumskurs dieses Jahr konsequent forcieren. Merz hat sich im Zuge des Einstiegs bei Noratis dazu verpflichtet, bis Ende 2024 insgesamt bis zu 50 Mio. Euro Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Davon haben wir bereits einen ersten Teil abgerufen und in den Ausbau des Immobilienportfolios investiert.
Wie kam es zu dem Einstieg? Haben Sie aktiv gesucht, um ihr Konzept vom Bestandsentwickler besser umzusetzen zu können?
André Speth: Unser Wachstumskonzept hatten wir bereits in 2019 aufgesetzt und dabei natürlich auch überlegt, wie wir es am effektivsten umsetzen können. Dabei sind wir mit der Familie Merz zusammengekommen und haben schnell gemerkt, dass wir dieselben Werte beim Ausbau und der Weiterentwicklung der Noratis vertreten. Es stimmt hier einfach die Chemie.
Sie investieren in bezahlbares Wohnen. Was bedeutet das genau?
André Speth: Wir kaufen bevorzugt in die Jahre gekommene Wohnungsbestände am Rande von Ballungszentren oder in Nebenlagen. Diese werten wir behutsam auf, so dass attraktiver, aber gleichzeitig bezahlbarer Wohnraum erhalten und geschaffen wird. Wir freuen uns, wenn die vorhandenen Mieter während der Aufwertung der Objekte weiter in ihren Wohnungen bleiben und zielen mit den Maßnahmen darauf, vorhandene Leerstände zu reduzieren. Die Mieter sehen wir also als Partner. Sie sorgen dafür, dass wir mit unserem Ansatz die Vorteile aus der Bestandshaltung, wie stabile Mieten, mit den Vorteilen aus der Projektentwicklung, was die Renditechancen betrifft, kombinieren.
Nach der Aufwertung der Immobilien haben Sie bisher die Objekte wieder verkauft, können Sie uns bitte ihre Strategie kurz erläutern?
André Speth: Wir haben in der Vergangenheit die Immobilien im Schnitt rd. 2 Jahre gehalten und dann wieder veräußert. Aufgrund unserer HGB Rechnungslegung und der Bilanzierung im Umlaufvermögen konnten wir die durch unser Asset Management geschaffenen Wertsteigerungen erst mit dem Verkauf realisieren, bis dahin blieben sie stille Reserven und waren im Ergebnis nicht sichtbar. Die Erlöse aus den Verkäufen haben wir dann wieder in den Ankauf neuer Objekte investiert. So konnten wir eine deutlich höhere Rendite erzielen als reine Bestandshalter. Auf der anderen Seite erwirtschafteten die aufgewerteten Objekte auch attraktive Renditen aus der Vermietung. Durch den konsequenten Portfolioausbau soll der Anteil dieser attraktiven Mietrenditen an den Umsatzerlösen weiter gesteigert werden.
Sie haben 2020 bewusst auf größere Immobilienverkäufe verzichtet und damit auf Ergebnis. Wie waren hierzu die Rückmeldungen von den Aktionären?
André Speth: Dieser Schritt ist natürlich erklärungsbedürftig, weil wir hierdurch 2020 kurzfristig ein Ergebnis deutlich unter den Vorjahren erzielen werden. Aber die langfristigen Vorteile sind erheblich. Wir sichern uns nicht nur die Mietrenditen über einen längeren Zeitraum und wollen so in Zukunft bereits aus den Mietzahlungen heraus in der Lage sein, eine Dividende zahlen zu können, wir sind bei einem größeren Portfolio auch flexibler bei den Verkaufszeitpunkten der einzelnen Objekte. So können wir zum optimalen Zeitpunkt verkaufen und zusätzliche Renditepotentiale heben. Wir haben also in diesem Jahr mit dem bewussten Verzicht von Verkäufen die Basis für die Ergebnisse der kommenden Jahre gelegt.
Wie soll es jetzt 2021 mit dem Immobilienbestand und den Verkäufen weiter gehen?
André Speth: Unser Immobilienbestand soll weiter ausgebaut werden. Gleichzeitig können wir uns für 2021 auch gut vorstellen, wieder erste größere Blockverkäufe zu realisieren. Das sollte sich dann auch bei den Ergebnissen bemerkbar machen, mehr kann ich an dieser Stelle aber noch nicht sagen.
Der Ausbau des Immobilienbestands benötigt Geld, von der vor wenigen Wochen emittierten Anleihe wurde zunächst erst eine Tranche platziert, schränkt das den Bestandsaufbau ein?
André Speth: Nein. Wir haben 12,5 Mio. Euro platziert und damit das Volumen von bis zu 50 Mio. Euro im ersten Schritt zwar nicht ausgeschöpft. Aber alleine mit diesem Mittelzufluss können wir kombiniert mit Bankdarlehen Immobilien für rd. 50 Mio. Euro einkaufen. Diese Mittel sichern somit den nächsten Wachstumsschritt. Ich möchte aber betonen, dass wir auch auf weitere Finanzierungsalternativen zurückgreifen können, wir sind da also flexibel aufgestellt.
Was denken Sie, warum die Platzierung doch so wenig Anklang am Kapitalmarkt fand? Die Rendite ist doch im Verhältnis zum Risiko eigentlich sehr attraktiv gewesen?
André Speth: Wir hatten sehr positive Rückmeldungen von institutionellen Investoren, es wurde aber aufgrund des unsicheren Umfelds im Zeitraum der Platzierung, bedingt durch die wiederaufkeimende Corona-Pandemie und die Turbulenzen rund um die Präsidentschaftswahl in den USA, einfach abgewartet. Nach der Börseneinführung und dem Ende der Unsicherheit über die Wahl ist der Kurs dann deutlich über 100 % gestiegen bis rd. 105%. Dies zeigt ja, dass die Anleihe als sehr attraktiv wahrgenommen wird.
Aufgrund des geringen Emissionsvolumens sollte es eine geringe Liquidität in der Anleihe geben. Also eine Anlage bis zur Maturity oder gibt es ihrer Kenntnis am Sekundärmarkt eine erkennbare Nachfrage?
André Speth: Die ersten Tage nach der Börsennotierung haben wir Umsätze von deutlich über 100.000 Euro pro Tag gesehen, danach sind diese natürlich etwas niedriger geworden. Sie sind aber meines Erachtens hoch genug, dass sich Privatanleger positionieren können.
Sie wollen zukünftig nach IFRS bilanzieren, was ist der Hintergrund für die Entscheidung?
André Speth: Wir wachsen und werden damit auch für internationale Investoren zusehends interessanter und diese wünschen eine IFRS-Bilanzierung. Auch um eine bessere Vergleichbarkeit mit anderen börsennotierten Gesellschaften zu ermöglichen, ist die IFRS Bilanzierung notwendig, da fast alle vergleichbaren Unternehmen danach berichten.
Wie wird sich das bei den Ergebnissen bemerkbar machen?
André Speth: Wir halten unsere Immobilien bisher vollständig im Umlaufvermögen, so dass Wertzuwächse auch weiter stille Reserven bilden wie bisher. Wir wollen aber zukünftig die stillen Reserven zumindest ausweisen, so dass sich die Investoren ein besseres Bild über die Geschäftsentwicklung machen können.
Anleger können nun in die Aktie oder in die Anleihe investieren. Was erscheint Ihnen interessanter?
André Speth: Das hängt natürlich vom jeweiligen Anlagetyp und auch vom Zeithorizont ab. Ich selbst habe zuletzt im Oktober Aktien der Noratis erworben.
Planen Sie die Anleihe unter Umständen aufzustocken? Oder eher eine neue Anleihe zu emittieren?
André Speth: Die Anleihe hat ein Volumen von bis zu 50 Mio. Euro. Wir können also aufstocken, machen das aber nur in Form von Paketen an institutionelle Investoren.
Zum Schluss möchten wir Ihnen gerne einige Stichworte nennen, zu denen Sie bitte kurz etwas sagen möchten:
Aktionäre
André Speth: Wir freuen uns über jeden Miteigentümer.
Übernahmen aktiv/passiv
André Speth: Für uns zurzeit kein Thema, wir wollen organisch weiter wachsen.
Gerüchte
André Speth: Kommentieren wir grundsätzlich nicht.
Transparenz
André Speth: Wir fühlen uns einer transparenten Kommunikation seit dem Börsengang verpflichtet. Unsere Eigentümer, die Aktionäre, werden so regelmäßig über die Geschäftsentwicklung informiert.
Wettbewerber
André Speth: Wenn in einem Segment auch andere Investoren aktiv sind, zeigt das nach unserer Einschätzung die Attraktivität des Bereichs an.
Konkurrenz
André Speth: Scheuen wir nicht, aufgrund unseres hervorragenden Netzwerks und des notwendigen Spezial-Know-hows in unserem Bereich.
Leerverkäufer
André Speth: Sind für unsere Aktie kein Thema.
Interessenskonflikte
André Speth: Wir stehen für einen Multi-Stakeholder-Ansatz und haben dabei die Interessen der verschiedenen Beteiligten bei der Unternehmensentwicklung im Blick.
Kapitalmarktkommunikation
André Speth: Wichtig, um Vertrauen zu schaffen und zu erhalten.
Zum Abschluss die beliebte Frage, wo sehen Sie die Noratis AG in 5 Jahren? Und wo sehen Sie sich selbst?
André Speth: In 5 Jahren soll die Noratis AG weiter auf bezahlbare Wohnimmobilien in Deutschland fokussiert sein und über einen Immobilienbestand verfügen, der bereits aus der Bewirtschaftung die Zahlung einer Dividende ermöglicht. Der Verkauf entwickelter Immobilien wird aber weiter ein Bestandteil des Geschäftsmodells sein. Mir macht die Arbeit so viel Spaß, dass ich hoffentlich auch in den kommenden Jahren die Entwicklung der Noratis AG mit vorantreiben darf.
Aktuell (04.12.2020 / 08:15 Uhr) notierten die Aktien der Noratis AG im Frankfurter-Handel mit einem Minus von -0,15 EUR (-0,84%) bei 17,75 EUR. Auch diese Aktie können Sie bereits ab 0,00 EUR auf Smartbroker handeln.
Chart: Noratis AG | Powered by GOYAX.de
André Speth | Vorstandsmitglied
Seit 2015 bei Noratis, verantwortlich für Finanzierung, Controlling, Investor Relations und IT
Langjährige Tätigkeit im Real Estate Investmentbanking (u. a. Morgan Stanley und Deutsche Bank).
Begleitung von zahlreichen Kapitalmarkttransaktionen (u. a. Börsengang von LEG)
Studium der Betriebswirtschaftslehre an der European Business School in Oestrich-Winkel
Kurzinfo zum Unternehmen
Die Noratis AG (www.noratis.de) ist führend in der Bestandsentwicklung von Wohnimmobilien in Deutschland. Das Unternehmen erkennt und realisiert Potenziale für Mieter, Selbstnutzer & Investoren. Damit schafft und erhält Noratis bundesweit attraktiven Wohnraum, der gleichzeitig bezahlbar ist. Noratis ist spezialisiert auf die Aufwertung von in die Jahre gekommenen Wohnimmobilien, meist Werkswohnungen, Quartiere und Siedlungen in Städten ab 10.000 Einwohnern sowie in Randlagen von Ballungsgebieten. Nach erfolgreicher Entwicklung bleiben die Objekte im Bestand oder werden mittelfristig an Investoren bzw. im Einzelvertrieb an bestehende Mieter, Kapitalanleger und Selbstnutzer veräußert. Dabei schafft Noratis einen spürbaren und nachhaltigen Mehrwert für alle Stakeholder: von Aktionären, Mitarbeitern und Finanzierungspartnern bis hin zu bestehenden und zukünftigen Mietern. Die Noratis AG ist an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet.