Salzgitter Aktie zum Discount? Wie schwerwiegend sind die förmlich explodierten Energiepreise für die GuV? Was passiert bei einem Erdgas-Notstand im Winter? Wird eine Rezession in den nächsten Monaten kommen und die Stahlnachfrage reduzieren, zumindest die Preise „zurückholen“? Die Antworten auf diese Fragen machen die Aktie des Salzgitter Konzerns (ISIN: DE0006202005) zu einem Schnäppchen oder einer riskanten Anlage. Zur Rezessionsfrage fällt die Antwort noch am leichtesten: Stahlaktien waren immer Zykliker und bisher konnte Salzgitter sich auch in schlechten Phasen sich behaupten. Ausserdem hat man 13.07.2022 für die Stahlsparte eine wichitge Zukunftsentscheidung getroffen, die in Kombination mit den diese Woche von der EU-Kommission genehmigten Beihilfen des Bundes und des Landes Niedersachsen für – in Phase 1 –
1,723 Mrd EUR für die Produktion grünen Stahls. Kraftanstrengung Salzgitters mit staatlicher Hilfe schafft Wettbewerbsvorteil, der „demnächst“ entscheidend sein könnte
Die EU-Kommission hat diese Woche den Förderantrag der Salzgitter AG für das Transformationsprogramm SALCOS® – Salzgitter Low CO2 Steelmaking notifiziert, also die beantragte nationale Beihilfe für mit europäischem Recht vereinbar erklärt. Damit wurde eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Gewährung der beantragten nationalen Fördermittel geschaffen. Nachdem sich am 15.09.2022 mit der Unterzeichnung einer Verwaltungsvereinbarung durch Ministerpräsident Stephan Weil und Staatssekretär Stefan Wenzel (BMWK), das Land Niedersachsen und die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam zur Förderung von SALCOS® bekannt hatten, liegt nun auch die entsprechende Freigabe der EU-Kommission vor.
Vorbehaltlich einer positiven finalen Prüfung und Entscheidung der nationalen Zuwendungsgeber, was wohl eher formaler Natur sein sollte, gehen die Verantwortlichen von Salzgitter davon aus, dass entsprechend der Verwaltungsvereinbarung vom 15.09.2022 die Bundesrepublik Deutschland bis zu 700 Mio EUR und das Land Niedersachsen bis zu 300 Mio EUR zur Förderung von SALCOS® beitragen werden. Gemeinsam mit den von der Salzgitter AG bereits freigegebenen Eigenmitteln von 723 Mio EUR wäre somit die Finanzierung der ersten Ausbaustufe von SALCOS® sichergestellt, die bis Ende 2025 umgesetzt sein soll.
Mit 723 Mio EUR aus der eigenen Kasse will man ab 2033 grünen Stahl als Wettbewerbsvorteil ausspielen – in drei Stufen mit am Ende 1,9 Mio Tonnen „green steel“ Jahreskapazität – im Kurs der Salzgitter Aktie berücksichtigt?
Könnte zumindest mittelfristig die Zyklik des Geschäfts reduzieren helfen. Durch die Aufsichtsrats-Freigabe der Eigenmittel in Höhe von 723 Mio EUR für die erste Ausbaustufe des SALCOS®-Programms und die nun annähernd „sichere“ Zuschussgewährung, sei ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn möglich. Gesamt-Ziel von SALCOS® ist es, das integrierte Hüttenwerk in drei Stufen bis 2033 komplett auf eine CO2-arme Rohstahlproduktion umzustellen.
Am 13.07.2022 erläuterte Gunnar Groebler, Vorstandsvorsitzender Salzgitter AG: „Mit der Konzernstrategie „Salzgitter AG 2030“ haben wir uns ambitionierte Ziele gesteckt. Die heutige Entscheidung ist ein starkes Signal dafür, dass wir mit unserer Strategie die richtigen Weichen gestellt haben und unterstreicht zudem unsere Rolle als Pionier der Dekarbonisierung der Stahlindustrie. Ich bin überzeugt, dass uns die zeitnahe Umsetzung von SALCOS® einen Wettbewerbsvorteil im Grünstahlmarkt verschaffen wird. (…) Über die neuen Anlagen können wir jährlich 1,9 Mio. t grünen Rohstahl produzieren. Schon jetzt ist das Interesse der Kunden aus unterschiedlichen Branchen groß. So hat der Salzgitter-Konzern in den vergangenen Wochen mit Kunden aus Branchen wie unter anderem Haushaltsgeräteherstellern, Automobilindustrie und Kaltwalzern Vereinbarungen über mögliche Lieferungen getroffen. Ebenso wird bereits heute eng bei der Qualifizierung von Stahlgüten zusammengearbeitet..“
Salzgitter Aktie „steht auch für“ rund 29.9 % der Aktien der Aurubis – aktuell rund 750 Mio EUR „wert“
Und so ergeben sich bei einer Marktkapitalisierung des Salzgitter-Konzerns von aktuell 1,21 Mrd EUR, einem KGV von 0.96 und einer Dividendenrendite von 3,72 % interessante Eckdaten. Der Salzgitter-Konzern mit Rekordumsätzen und dem höchsten Halbjahresgewinn der Firmengeschichte wird so ex-Aurubis-Beteiligung (rund 730 Mio EUR zu aktuellen Kursen) mit rund 480 Mio EUR bewertet. Und das bei einem Halbjahresgewinn vor Steuern von 970,5 Mio EUR (H1 2021: 305,7 Mio). Hierin enthalten sind lediglich 84,3 Mio EUR Beitrag der nach der Equity-Methode ausgewiesenen Beteiligung an der Aurubis AG (H1 2021: 91,0 Mio). Aus 781,0 Mio EUR Gewinn nach Steuern (H1 2021: 230,6 Mio) errechnen sich 14,39 EUR Ergebnis je Aktie (H1 2021: 4,20 EUR).
Salzgitter Konzern derzeit wesentlich niedriger bewertet als Nachsteuergewinn des ersten Halbjahres 2022 plus Wert der Beteiligung an der Aurubis – realistisch? Hängt von den Antworten des Anlegers auf die Fragen eins und zwei ab, die wir zu Anfang angesprochen haben.
Erstes Halbjahr stark – trotz bereits im ersten Halbjahr gestiegenen Energiepreisen
Die zwischenzeitlich auf Rekordniveau gestiegenen Preise für Walzstahlprodukte resultierten in Gewinnsprüngen der Geschäftsbereiche Stahlerzeugung, Stahlverarbeitung und Handel, die Haupttreiber der außerordentlichen Ergebnisentwicklung im Berichtszeitraum waren. Aber auch der Geschäftsbereich Technologie sowie die industriellen Beteiligungen trugen mit positiven Ergebnissen hierzu bei.
Der Außenumsatz des Salzgitter-Konzerns erhöhte sich vor allem preisbedingt um 50 % auf 6.636,5 Mio EUR (H1 2021: 4.435,5 Mio). Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) legte auf 1.138,5 Mio EUR zu, der Vorsteuergewinn stieg sogar um mehr als das Dreifache auf 970,5 Mio EUR (H1 2021: 305,7 Mio). Hierin enthalten waren – wie bereits gesagt – 84,3 Mio EUR Beitrag der nach der Equity-Methode ausgewiesenen Beteiligung an der Aurubis AG (H1 2021: 91,0 Mio). Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals (ROCE) erreichte 30,7 % (H1 2021: 16,4 %). Die Eigenkapitalquote wurde auf 42,2% (H1 2021: 33,3 %) gesteigert und unterstreicht damit die solide bilanzielle Basis des Salzgitter-Konzerns.
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Ausblick verhalten, aber…
Der Salzgitter Konzern erwartet für das zweite Halbjahr durchaus eine gewisse Abkühlung: „Infolge der Konsolidierung der Stahlpreise ab dem zweiten Quartal, rechnen wir im weiteren Jahresverlauf mit einem Rückgang der überdurchschnittlichen Margen. Somit erwarten wir – auch in Anbetracht der geopolitischen Lage – im Geschäftsjahr 2022 für den Salzgitter-Konzern weiterhin:
- einen Umsatz um 13 Mrd. €,
- ein EBITDA zwischen 1,4 und 1,6 Mrd. €,
- ein EBT zwischen 1,0 Mrd. € und 1,2 Mrd. € sowie
- eine über dem Vorjahr liegende Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE).
Dabei gehen wir von einer nach wie vor uneingeschränkten Verfügbarkeit von Erdgas als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Produktion aus.“
Und ist die Salzgitter Aktie damit ein Kauf? Wenn man eine Meinung zu den Entwicklungen der nächsten Monate bezüglich Erdgasversorgung hat, dann könnte man darüber nachdenken. Und dazu braucht’s auch eine Meinung zu der Wirkung auf Stahlnachfrage und -preise durch die – aktuell von der Bundesregierung für Deutschland prognostizierte – Rezession in 2023.
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