In unserem heutigen Interview konnten wir unsere Fragen an Herrn Dr. Wolfgang Trier, Vorstandsvorsitzender der Softing AG (ISIN: DE0005178008), stellen.
Herr Dr. Trier, die Anfang 2018 übernommene GlobalmatiX soll sich zu einem der wesentlichen Wachstumstreiber der Softing AG entwickeln. Könnten Sie allen Lesern, die bisher noch nichts von GlobalmatiX gehört haben, bitte kurz erläutern, was die Softing-Tochter genau macht?
Dr. Wolfgang Trier: Das Kerngeschäft der GlobalmatiX ist die Lösung eines der zentralen Probleme vieler Anwendungen im Automobilsektor: Wie bekommt man die Daten von tausenden dezentral operierenden Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller und Bauart günstig und sicher in eine zentrale Datenstruktur? GlobalmatiX leistet die Erfassung, Dekodierung und die sichere Übertragung von Daten aus den Fahrzeugen in eine zentrale Cloud, in der diese Daten zu Informationen verarbeitet werden. In der Industrie wird dies häufig als Car-2-Cloud-Lösung bezeichnet. Unsere Kunden sind sogenannte Telematik Service Provider, die auf Basis der von uns bereitgestellten Daten Flottenbetreibern Systeme zum Flottenmanagement, Analyse-Werkzeuge, elektronische Fahrtenbücher, Routen- und Fahrzeitenüberwachung etc. zur Verfügung stellen. GlobalmatiX beschränkt sich dabei bewusst auf die Funktion des Datenlieferanten. Diese Aufgabe lässt sich gut skalieren, kann also genauso gut für 10.000, für 100.000 oder für eine Million Fahrzeuge geleistet werden.
Im Rahmen unseres Interviews im November 2018 haben wir erstmals über GlobalmatiX gesprochen. Was ist in den vergangenen Monaten bzgl. GlobalmatiX passiert?
Dr. Wolfgang Trier: Wir haben bei GlobalmatiX die Zeit genutzt und das Produkt weiterentwickelt. In Folge unserer Bemühungen haben wir einen ersten Großkunden mit einem Potenzial von einigen 100.000 aktiven Fahrzeugen akquiriert, der die auf Basis unserer Daten geschaffenen Serviceprodukte gerade auf der IAA in Frankfurt vorgestellt hat. Zusammen mit ihm und anderen Kunden laufen erste Pilot-Projekte mit Endkunden im privaten und öffentlichen Sektor. Auch in den USA kommen wir voran. Unsere Tochter in den USA wird eine Leasingflotte eines Premium-Herstellers mit Daten versorgen, der damit die Einhaltung der vertragsgemäßen Nutzung seiner Fahrzeuge sicherstellen wird. Ein weiterer Hersteller erprobt gerade eine Elektronik, mit dem der Standort von Neufahrzeugen nach Abschluss der Montage im Werk bis hin zum Autohaus verfolgt werden kann. Derzeit sprechen wir auch mit einem weiteren Kunden, der auf Dienstleistungen für große Leasing-Betreiber von gemischten Flotten spezialisiert ist. Neuerdings gibt es auch Interesse von den Herstellern selbst. Unsere noch kleine GlobalmatiX-Mannschaft ist damit komplett ausgelastet.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Wie ist das Zusammenspiel von GlobalmatiX mit Ihren weiteren Automotive-Aktivitäten? Gibt es Synergieeffekte?
Dr. Wolfgang Trier: GlobalmatiX nutzt die Kompetenz der Softing Automotive Electronics GmbH, um Daten für Ferndiagnosen aufzubereiten oder Mobilitäts-Plattformen bereitzustellen. Kunden der Softing Automotive Electronics GmbH wiederum haben hohes Interesse, in der Entwicklung und Fahrerprobung alte, lokal arbeitende Datenlogger durch moderne 4G- und 5G-Systeme zu ersetzen. Diese müssen nach den Erprobungsfahrten nicht mühsam ausgelesen werden, sondern senden über 4G- und 5G-Netze die Daten direkt von der Fahrt in die Cloud-Systeme der Entwicklungsabteilungen. Das sind nur einige der zusätzlichen Anwendungen, die wir heute vorbereiten, damit diese in 12 bis 15 Monaten einsatzbereit sein werden.
Welche Bedeutung hat der angesprochene erste GlobalmatiX-Großauftrag für Softing? Und welche Signalwirkung erwarten Sie von ihm?
Dr. Wolfgang Trier: Zunächst bringt uns der Großauftrag eine enorme Sichtbarkeit in der Branche, da alle wissen, welchen Qualitätsanforderungen unser Kunde mit seinem Konzernnamen genügen muss. Darüber hinaus erwarten wir über diesen Kunden den schnellen Aufbau größerer Flotten, die mit unserem System Tag für Tag online sein werden. Das wird uns zügig in Volumen- und Umsatzdimensionen führen, in denen GlobalmatiX bereits in 2020 mindestens kostendeckend arbeiten kann.
Wie sieht die Konkurrenzsituation in diesem Bereich aus und welche Perspektiven sehen Sie für GlobalmatiX?
Dr. Wolfgang Trier: Vor allem im unteren Leistungs- und Qualitätssegment gibt es eine Vielzahl von Anbietern. Die meisten arbeiten mit einer auf den OBD-Stecker aufgesetzten Lösung, was technisch und von den Anwendungen her sehr unbefriedigend ist. Auch bietet es einem unbefugten Zugang in das Fahrzeug von außen wenig Schutz. Fast alle bieten ausschließlich 2G- oder 3G-basierte Übertragungslösungen an. Diese Standards werden im nächsten Jahr zunehmend zugunsten von 5G-Netzen abgeschaltet werden. Wir sind derzeit der einzige Anbieter einer hoch-gesicherten Car-2-Cloud-Lösung mit 4G- und 5G-Technologie.
Wie wichtig könnte GlobalmatiX mittelfristig für Softing werden?
Dr. Wolfgang Trier: Über die hohe Skalierbarkeit der Dienstleistungen und die Tatsache, dass neben einem Fixkostensockel nur vergleichsweise geringe variable Kosten anfallen, wird GlobalmatiX ab einem gewissen Punkt hochprofitabel arbeiten. GlobalmatiX bringt alle Voraussetzungen mit, einen deutlich höheren Ertrag zu erwirtschaften, als es in den anderen Unternehmensteilen möglich ist.
Im August haben Sie die Übernahme der US-amerikanischen Phoenix Digital Corporation (PDC) gemeldet. Ist das ein reiner Technologiezukauf? Oder wird PDC schon kurzfristig nennenswerte Umsatz- und Ergebnisbeiträge liefern?
Dr. Wolfgang Trier: Der Zukauf der PDC ist beides. Wir erwarten schon in 2020 etwa 1 bis 2 Mio. US-Dollar rentablen Umsatz zusätzlich zu unserem Bestandsgeschäft. Darüber hinaus wollen wir die Technologie mit unserem Know-how über marktbeherrschende Steuerungen zusammenbringen und daraus weitere Produkte ableiten.
Kommen wir auf das laufende Geschäft zu sprechen: Wie zufrieden sind Sie mit dem Start ins zweite Halbjahr und welche Erwartung haben Sie an das Jahresendgeschäft?
Dr. Wolfgang Trier: Wir hatten in den Sommermonaten einen überraschend starken Geschäftsverlauf. Das war ein ausgesprochen angenehmer Start in das zweite Halbjahr. Traditionell ist das vierte Quartal das stärkste im Jahr. Wir beobachten im Marktumfeld ein zunehmend schwierigeres konjunkturelles Umfeld, sind aber bisher selbst nicht betroffen. Unsere internationale Aufstellung hilft, Einbrüche in lokalen Märkten abzufedern.
Heißt das auch, dass Ihnen der aktuelle Konjunkturverlauf generell bzw. die Turbulenzen des Automobilsektors im Speziellen derzeit keine Sorgen bereitet?
Dr. Wolfgang Trier: Sorge schon, allerdings gibt es gerade bei der Softing Automotive Electronics genug Spezialthemen, die uns derzeit eine rege Nachfrage bescheren. Wir erwarten bei Automotive ein Jahr, das weit bessere Erträge bietet, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Freude bereiten vor allem die Anfragen von Herstellern nach Neuprodukten im Diagnoseumfeld. Dies ist ein gutes Zeichen für 2020 und die Folgejahre. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Softing mit seinen Automotive-Aktivitäten die Automobilindustrie nicht abbildet. Bei 20 bis 25 Mio. Euro Umsatz, den wir in diesem Segment erzielen, kann man in einem derart großen Markt mit guten Produkten durchaus gegen die Branchenkonjunktur laufen.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Lassen Sie uns abschließend etwas weiter in die Zukunft blicken: Wo sehen Sie die Softing AG mit Blick auf drei bis fünf Jahre?
Dr. Wolfgang Trier: Für die gesamte Softing AG rechnen wir mit einem Umsatzwachstum auf bis zu 90 Mio. Euro im laufenden Jahr. In 2020 wollen wir die 100 Mio. Euro erreichen oder mindestens von unten ankratzen. In allen Segmenten ist geplant, die Erträge deutlich zu steigern. Im laufenden Geschäftsjahr wird GlobalmatiX plangemäß noch ein Kostgänger sein. Aber bereits in 2020 erwarten wir für GlobalmatiX wie angesprochen mindestens ein neutrales Ergebnis. In den Folgejahren planen wir mit einem weit überproportionalen Gewinnbeitrag durch die noch junge Tochter. Damit verbunden wollen wir in der Unternehmensgruppe bei wachsenden Umsätzen wieder auf zweistellige EBIT-Margen zusteuern – immer unter der Maßgabe eines normalen konjunkturellen Umfeldes, ohne länger anhaltende oder gar globale konjunkturelle Verwerfungen.
Herr Dr. Trier, besten Dank für das Interview.
Dr. Wolfgang Trier | CEO der Softing AG
Wolfgang Trier, Jahrgang 1964, ist seit 2002 Vorstand der Softing AG.
Er studierte Nachrichtentechnik an der RWTH Aachen. Im Anschluss folgten fünf Jahre Forschungsarbeit über parallele Rechnerarchitekturen in Sensorik und Prozesstechnik samt Promotion als Elektroingenieur an der RWTH. Parallel dazu studierte er Betriebswirtschafts-lehre und schloss auch dies mit einer Promotion ab. Anschließend arbeitete er fünf Jahre für eine namhafte Unternehmensberatung zunächst im Bereich operative Exzellenz und Inno-vations¬management. Die letzten zwei Jahre dieser Zeit führte er mit Schwerpunkt Sanierungs-projekte im In- und Ausland.
2002 kam Wolfgang Trier als Vorsitzender des Vorstands zur Softing AG und leitete die Sanierung der damals stark defizitären Gesellschaft, die rein national orientiert war. Nach der erfolgreichen Sanierung baute er mit mehr als 10 Firmenakquisitionen und organischem Wachstum das global orientierte Geschäft der Softing auf, die er in drei Segmente neu gliederte. Heute werden mehr als 50% von Umsatz und EBIT außerhalb Deutschlands generiert.
Kurzinfo zum Unternehmen
Softing ist eine weltweit agierende Management-Holding. Die Softing Gesellschaften erstellen und vertreiben Hard- und Software in den Unternehmenssegmenten Automotive Electronics, Industrielle Automatisierung und IT Networks. In enger Kundenbeziehung werden technologisch hochwertige Standardprodukte sowie individuelle Lösungen realisiert. Softing operiert mit allen drei Unternehmenssegmenten in Wachstumsmärkten.
Softing Automotive ist ein strategischer Partner internationaler Fahrzeughersteller sowie System- und Steuergerätelieferanten mit über 30 Jahren Branchenerfahrung in den Schlüsseltechnologien der Automobilelektronik und ihr verwandten Elektronikbereichen, z.B. für Nutzfahrzeuge oder Landmaschinen.
Softing Industrial ist Experte für die Implementierung und Verbesserung digitaler Datenaustauschprozesse in industriellen Anwendungen – auf der Feldebene und zwischen der Produktion und der IT. Mit mehr als 35 Jahren Erfahrung in den Bereichen Feldbusse und Industrial Ethernet ist Softing Industrial strategischer Partner der industriellen Automation.
Softing IT Networks ist Spezialist für Messtechnik zur Qualifizierung, Zertifizierung und Dokumentation der Leistungsfähigkeit von Verkabelungen in IT-Systemen. Ob für die Telekommunikation, für Datenbanken, für Großrechner oder für den Anlagenbau in der industriellen Automation, mit der professionellen Messtechnik von Softing IT-Networks wird die Leistungsfähigkeit der Datenkommunikation durch schnellere und sicherere Verbindungen optimiert, über den gesamten Lebenszyklus des Netzwerks hinweg.
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