19.06.2020 – Wirecard AG (ISIN: DE0007472060) schockte und jetzt sollte/muss schnellstmöglich Klarheit geschaffen werden. Nur Aufklärung gibt dem operativen Geschäft eine Chance weiterhin zu funktionieren und mögliche Schäden durch operative Erträge irgendwann auszugleichen. Dasselbe gilt für die angedrohten Kreditkündigungen für heute – neues Geld oder eine irgendwie geartete Prolongierung der Gelder ist nur möglich, wenn Klarheit herrscht und mindestens ausgeschlossen werden kann, dass auch zukünftige Erlöse „verschwinden“. Es ist ja im Moment nicht einmal klar, ob das gesamte Geld „weg ist“, ein Teil oder was auch immer. Schadensaufnahme. Schadensbegrenzung. Zukünftige Schadensverhinderung. Die allerersten Schritte sind durch die gestern Abend mitgeteilte Vorstandsumstellung erfolgt, begleitet von einem Vorstandsstatement(im Anschluss behandelt):
„Der Aufsichtsrat der Wirecard AG hat heute das Vorstandsmitglied Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung widerruflich bis zum 30. Juni 2020 von seiner Tätigkeit als Vorstand der Wirecard AG freigestellt. Zudem wurde Dr. James H. Freis, Jr. (49) mit sofortiger Wirkung – und damit zu einem früheren Termin als dem am 8. Mai 2020 bekannt gegebenen 1. Juli 2020 – zum Compliance-Vorstand bestellt. James Freis, Jr. wird das neugeschaffene Ressort „Integrity, Legal and Compliance“ verantworten.“
Man fängt an zu reagieren, wohl nicht die letzte Ad-hoc für die nächsten Stunden. Das ein nicht involvierter, professioneller und untadeliger Compliance und Legal Vorstand jetzt beginnt intern die Vorgänge aufzuarbeiten, ist wohl eienr der jetzt notwendigen Schritte. Was die „widerrufliche“ Freistellung von Jan Marsalek bedeutet, läßt sich noch nciht abschätzen – Vorverurteilungen helfen on dieser Situation nicht weiter, deshalb: Erste Konsequenz gezogen, glaubwürdiger Mit-Aufklärer eingesetzt. Man fängt an den Schaden zu begrenzen.
Passend dazu die ERKLÄRUNG des Vorstands – Markus Braun sieht Wirecard als mögliches Opfer
Unerträglich erschien gestern auch die Kommunikationspolitik des Unternehmens, besser gesagt von Vorstand und Aufsichtsrat. Immerhin 2:22 Minuten Stellungnahme finden sich auf der Internetseite des Unternehmens. Zusammengefasst: Beim Übergang auf einen neuen Treuhänder in 2019 seien die zwei fraglichen Banken in Asien mit der Verwaltung der Treuhandkonten betraut worden. Der Wirtschaftsprüfer E&Y habe daruf hingewiesen, dass aus dem Umfeld des Treuhänders oder der Banken E&Y „mit betrügerischer Absicht“ falsche Saldenbestätigungen vorgelegt worden seien.Es sei unklar, wieso die beiden Banken E&Y mitgeteilt haben, dass die Saldenbestätigungen gefälscht seien. Der Treuhänder arbeite mit den Banken an der Klärung des Sachverhalts. Es könne „derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass Wirecard in einem Betrugsfall erheblichen Umfangs zum Geschädigten geworden ist„.
Was ist davon zu halten? Zumindest versucht man eine Erklärung – wobei klar gesagt: Wenn ein Unternehmer möglicherweise nicht die fachliche Eignung hat buchhalterische Vorgänge zu beurteilen und zu kontrollieren MUSS ER AB EINER GEWISSEN UNTERNEHMENSGRÖSSE EINEN CONTROLLER EINSTELLEN ODER EINEN REVISOR, der ohne jede Ermittlungs- oder Informationsgrenzen fortlaufend alle finanziellen Prozesse überprüft, überwacht und quasi wie ein „Wachhund“ das Unternehmensvermögen beschützt. DIESEN VORWURF MUSS MAN MINDESTENS dem CEO Markus Braun – trotz aller unbestrittener Verdienste beim Aufbau des Unternehmens – machen. Genauso wie er hat auch der Aufsichtsrat seinen „Job“ nicht erfüllt – die Testate E&Y’s für 2018 und die Vorjahre werden sicherlich ebenfalls einer genauen Prüfung unterzogen werden.
Neuanfang wird wohl auch am Kopf starten müssen – der in dem Statement kurz vorgestellte neue Vorstand James Freis ist hier bestimmt „nur“ ein erster Schritt.
Ein Aufklärer – Eignung vorhanden
„Seit 2014 verantwortet James Freis die Compliance der Deutsche Börse AG, Frankfurt. Zuvor war er bei der internationalen Anwaltssozietät Cleary Gottlieb Steen & Hamilton, Washington DC, tätig. Zwischen 2007 und 2012 war er Director (CEO) des United States Department of the Treasury’s Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) und damit als leitender US-Regierungsbeamter zuständig für die Regulierung von Finanzinstitutionen. Freis war zudem Leiter der US-Financial Intelligence Unit (FIU), die Untersuchungen zur Umsetzung und Einhaltung von Gesetzen durchführt. Er begann seine Laufbahn 1996 als Jurist bei der Federal Reserve Bank of New York. Später war er Senior Counsel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, Schweiz, und wechselte anschließend als Deputy Assistant General Counsel for Enforcement & Intelligence zum US Department of the Treasury.“
Der Freigestellte – auf Widerruf(?)
ist der derzeitige COO, der im Rahmen des umfassenden Vorstandsumbaus neue Aufgaben übernehmen sollte. Als COO ist er u.a. verantwortlich (gewesen) für die operativen Abläufe, die Kontrolle der Abläufe und die Effizienz der Abläufe. Sein neues Aufgabengebiet, welches er nach seiner „Entmachtung“ laut Aufsichtsratsbeschluss am 08.05.2020 übernehmen sollte wäre Business Development gewesen: „Jan Marsalek übernimmt mit der Berufung eines COO im Konzernvorstand den Verantwortungsbereich Business Development. Als Chief Business Development Officer verantwortet er die Aufgabenbereiche New Ventures, Global Business Integration, Global Financial Services und Entwicklung Finanzdienstleistungen mit dem Produktbereich, Mehrwertleistungen sowie die Ausbreitung des Lizenzraums und die Konzernkoordination des Drittpartner Acquiring.“ (AR Wirecard, 08.05.2020)
Zuvor geschah:
Unser BEITRAG: „Unglaublich – Jetzt gilt es den Schaden zu begrenzen, soweit möglich…“: SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. meldete am 18.06.2020 um 14:22 Uhr:
„Die SdK plant, mögliche Schadensersatzansprüche von Aktionären und Anleiheinhabern der Wirecard AG gegenüber Organen der Gesellschaft und Dritten prüfen zu lassen und organisiert hierfür ein gemeinsames Vorgehen geschädigter Kapitalanleger.“ – wahrscheinlich werden in nächster Zeit noch einige weitere Möglichkeiten angeboten werden, um einen Schaden zu begrenzen, der wohl kurzfristig nicht wieder „aufgeholt“ werden wird. Hätte gestern wahrscheinlich kaum jemand für möglich gehalten – die FT lag offensichtlich richtiger mit ihren Vermutungen, als Viele wahr haben wollten. Gestern ging es noch um eine möglicherweise eingeschränkte Testierung der Bilanzen, gestern ging es noch um ein mögliches Aufbruchsignal für die Aktie, heute geht es um das Ganze. Doppelschlag: 25% der Bilanzsumme möglicherweise „nicht vorhanden“ plus nochmal ungefähr die gleiche Summe an Darlehen, die fällig gestellt werden könnten, wenn bis Morgen kein Testat vorliegt. Und daran, das bis Morgen ein Testat vorliegt, kann nicht mal der größte Optimist glauben. Und bis heute Morgen kein Hinweis, keine Ad-hoc über Schwierigkeiten bei der Bestätigung eines derartig großen Bilanzpostens – Kommunikation war nie Wirecards Stärke, aber so… Und auch E&Y hat sich nicht zu einer Vorabinformation veranlasst gesehen…
„Der Abschlussprüfer der Wirecard AG, die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München, hat die Wirecard AG darüber informiert, dass über die Existenz von im Konzernabschluss zu konsolidierenden Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro (dies entspricht in etwa einem Viertel der Konzernbilanzsumme) noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen waren.
Es bestehen Hinweise, dass dem Abschlussprüfer von einem Treuhänder bzw. aus dem Bereich der Banken, welche die Treuhandkonten führen, unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden, damit dieser ein unrichtiges Vorstellungsbild über das Vorhandensein der Bankguthaben bzw. die Führung von Bankkonten zugunsten der Wirecard-Gesellschaften erhalte. Der Vorstand arbeitet mit Hochdruck daran, den Sachverhalt in Abstimmung mit dem Abschlussprüfer weiter aufzuklären.
Vor diesem Hintergrund wird die Abschlussprüfung des Jahres- und Konzernabschlusses 2019 nicht wie geplant bis zum 18. Juni 2020 abgeschlossen sein. Ein neuer Termin wird bekannt gegeben. Wenn ein testierter Jahres- und Konzernabschluss nicht bis zum 19. Juni 2020 vorgelegt wird, können Kredite der Wirecard AG in Höhe von ca. 2 Mrd EUR gekündigt werden.“
Das ist schwere Kost – neben dem Timing, der widersprüchlichen Kommunikationspolitik – 1,9 Mrd. EUR nicht ausreichend nachgewiesen ist unglaublich. Hinweise auf gefälschte Saldenbestätigungen – ERSCHRECKEND. Wenn es jetzt nicht kurzfristig gelingen sollte, diesen Sachverhalt zu klären, wird Wirecard in Stürme geraten, die das bisher Aufgebaute gefährden könnten. Kein neuer Termin… Alles sehr, sehr schwierig.
Um Beruhigung bemühter CEO äußert sich: „Wir stehen im Austausch mit dem vor Ort anwesenden Treuhänder. Frühere erteilte Bestätigungen der Banken wurden vom Wirtschaftsprüfer nicht mehr anerkannt. Alle Beteiligten sind um schnellstmögliche Aufklärung bemüht. Ob betrügerische Vorgänge zum Nachteil der Wirecard AG vorliegen, ist derzeit unklar. Die Wirecard AG wird Anzeige gegen unbekannt erstatten.„
Die Kursentwicklung entsprechend – die Aktie fällt wie ein Stein, man fühlt sich an alte Steinhoff-Zeiten erinnert. Glaubwürdigkeit wird der aktuelle Vorstand bei den Aktionären wohl nicht wieder gewinnen können. Egal ob der Vorstand involviert ist oder nicht: Wenn ein Viertel des Unternehmnsvermögens möglicherweise „weg“ ist, kann man nicht mehr von einem Fehler reden, dass ist schon …
HINTERGRUND, wie es Wirecard in einer ergänzenden Meldung darstellt: „Die jeweiligen Tochtergesellschaften der Wirecard AG haben auf diese Treuhandkonten erhebliche Sicherheitsleistungen von insgesamt 1,9 Mrd. Euro eingezahlt, um für das Risikomanagement für teilnehmende Händler zu garantieren. Bei den die Treuhandkonten führenden Banken handelt es sich um zwei asiatische Banken. Beide Institute verfügen über Investmentgrade Ratings. Der seit 2019 amtierende Treuhänder nimmt in Asien zahlreiche Mandate wahr.“
Viele Fragen und dringender Aufklärungsbedarf…
Handlungsbedarf für den Aufsichtsrat besteht auf jeden Fall – hier ist kein Taktieren mehr möglich, hier ist keine Transformation mehr das probate Mittel, hier hilft wohl nur ein klarer Bruch und Neuanfang…
Der erste Schritt ist die sofortige Inthronisierung von James Freis und wohl auch die Freistellung von Jan Marsalek von heute Abend. Und dann…
UND DROHENDE Darlehenskündigungen über 2 Mrd. EUR, wenn nicht bis Morgen…
Die Kündigung von Darlehen in Höhe von 2 Mrd. EUR ist eine Bedrohung der Geschäftsbasis – eine solche Entwicklung war bis 10.42 Uhr nicht absehbar und sollte die Kapitalmärkte schocken – wie geht es weiter? Wie kann das Management dieser Bedrohung begegnen – viele Fragen für die Wirecard schnellstmöglich Antworten liefern müsste. Muss. Operativ scheitn Wirecard ja reales Geschäft zu tätigen, operativ scheint ja alles in Ordnung zu sein – anders als bei Flowtex seinerzeit. Aber was aus diesem Geschäft werden soll, kann derzeit wohl niemand mehr mit Gewissheit beantworten – der Worst Case, den wir zugegebenermaßen nicht für möglich gehalten hätten, ist eingetreten. Jetzt muss Schadensbegrenzung betrieben werden, jetzt muss versucht werden, das zu retten, was funktioniert, damit die Aktionäre nicht einen …
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