Ehemaliger Staramba Direktor: „Worten müssen Taten folgen.“

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Herr v. Hassell, vielen Dank, dass Sie sich bereiterklärt haben sich unseren Fragen zu stellen. Unser erster Kontakt war ja etwas holprig. Sie baten um eine Gegendarstellung im Zusammenhang eines Beitrages über die STARAMBA Hauptversammlung?

Julian v. Hassell: Kein Problem, das haben wir ja jetzt richtigstellen können.

Bevor wir hier in die Tiefe gehen: Sagen Sie doch bitte etwas zu Ihrer Person und wieso Sie so engagiert die STARAMBA beobachten, begleiten oder wie würden Sie es bezeichnen?

Julian v. Hassell: Nun, ich bin Mitgründer der Gesellschaft. Bis Ende März 2017 war ich der erste geschäftsführende Direktor und auch Verwaltungsrat. Im Mai 2015 holte ich das im Dezember 2013 gegründete Unternehmen, das bis dahin als Inkubator operierte, vom Freiverkehr der Börse Berlin in den General Standard des Regulierten Marktes nach Frankfurt. Im Sommer 2016 habe ich dann unsere Beteiligungen verkauft, und dafür dann die bis dahin noch nicht zu uns gehörenden Anteile an der Staramba GmbH erworben. Anschließend habe ich die Staramba GmbH auf uns selbst, die Muttergesellschaft Social Commerce Group SE, verschmolzen. Dadurch wurde aus der Staramba GmbH die Staramba SE. Neben den institutionellen Investoren aus der Einfluss-Sphäre der Herren Rolf Elgeti und Christian Daudert sowie nach den Herren Daudert und – möglicherweise noch Fredi Bobic (Ich habe ihn auf der HV nicht gesehen und er hat sich augenscheinlich auch nicht vertreten lassen) bin ich außerdem sicherlich der größte Privatinvestor. Ich hoffe, dies erklärt mein Interesse.

Konkret. Sie waren auf der letzten Hauptversammlung der STARAMBA?

Julian v. Hassell: Richtig, ich war gemeinsam mit Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Florian Dobroschke als meinem Rechtsbeistand vor Ort.

Was können Sie zum Ablauf der Veranstaltung generell sagen? Zur Erinnerung für unsere Leser: Es gab eine Bilanz 2017, die untestiert blieb, Ärger mit dem alten Wirtschaftsprüfer und ziemlich wilde Ankündigungen seitens der Gesellschaft gegen die nicht testierenden WPs vorzugehen. Im Schatten dieser ungewöhnlichen Vorgänge fand diese HV statt.

Julian v. Hassell: Ich bin darüber, wie der Verwaltungsrat und der geschäftsführende Direktor als Organe der Gesellschaft mit dem WP umgegangen sind, offen gestanden sehr irritiert. Ganz egal, wie sich die Dinge im Rahmen der Prüfung zugetragen haben mögen: Diese krawallige Tonlage schadet den Interessen der Aktionäre. Die Organe der Gesellschaft mimten dann im Vorfeld und auch während der HV heile Umsatz- und Ergebniswelt. Erst auf meinen massiven Druck gaben sie zu, dass die Dinge im Lichte der hinter den Abschlusszahlen stehenden Fakten leider nicht ganz so heil aussehen.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel}

In unserem Artikel seinerzeit fragten wir uns, wieviel Umsatz von den aufgeführten 17,6 Millionen EURO aus dem Verkauf von Token resultierten. Gab es hierzu vor Ort Erkenntnisse?

Für ein relativ frühphasiges Technologie-Startup sind nicht Umsatz- und Ergebniswachstum die relevanten Kennzahlen. Daher gehören solche Unternehmen in dieser Phase eigentlich auch nicht an die Börse. Denn hier konkurrieren sie auf Augenhöhe mit Unternehmen, die am KGV, Gewinn, Dividende pro Aktie usw. gemessen werden. Das verführte Staramba augenscheinlich dazu, den Verkauf von Token als Umsatz zu titulieren. Das hätte den Aktionären auch so kommuniziert werden müssen. Auf Seite 92 des Geschäftsberichts zum Jahresabschluss 2017 hält der WP in seinem Versagungsvermerk dazu fest: „Da es sich bei den durch die Gesellschaft ausgegebenen Token um sog. Utility Token handelt, führen diese erst beim Zugang zu den virtuellen Welten „Staramba-Spaces“ zu Umsatz und können somit im Geschäftsjahr 2018 nicht i.S. v. §252 Abs. 1 Nr. 4 HGB realisiert werden. Im vorliegenden Fall sind infolgedessen die für das Geschäftsjahr 2018 prognostizierten Umsatzerlöse und das prognostizierte Jahresergebnis zu hoch ausgewiesen.“

Zu Ihrer Frage: von den in der Corporate News vom Tag der Hauptversammlung genannten Einnahmen (zu verstehen im Sinne von Umsatz, aber bewusst nicht so betitelt) von 17,6 Mio. entfallen 17,3 Mio. auf die Einnahmen aus Token-Verkäufen, wie die Staramba einräumen musste.

Interessant. Wie stellen sich denn aus Ihrer Sicht die Vorgänge um die STARAMBA USA Corp. da? Wurde darauf in der Hauptversammlung eingegangen? Wer hat diese Gesellschaft eigentlich an die STARAMBA SE verkauft?

Julian v. Hassell: Ich fragte die Gesellschaft auf der Hauptversammlung, warum sie die Staramba USA Corp. für EUR 5,1 Mio. erworben hatte, obwohl sie doch nur an den in ihr liegenden Lizenzrechten interessiert war, die später von dieser neuerworbenen Tochteroffenbar zum Preis von TEUR 795 gekauft wurden. Und dann fragte ich auch, wieso die Lizenzrechte zum Stichtag auf null EUR abgeschrieben wurden und was anschließend mit dem erworbenen Mantel Staramba USA Corp. geschah. An wen er verkauft wurde. Zu alldem hat sich die Gesellschaft nur äußerst diffus und leider auch sachlich falsch geäußert. Sie erklärte z.B., der vormalige geschäftsführende Direktor, also ich, hätte 2017 übersehen, dass der Kauf der Staramba USA auf der Ebene der Staramba SE zu einer Holdingstruktur geführt hätte, was unbedingt vermieden werden sollte. Diese Antwort ist falsch, weil der Kauf der Staramba USA zu diesem Zeitpunkt, also Februar 2017, ausweislich der mir vorliegenden Unterlagen noch nicht einmal in Planung war.

Sie behaupten im JA-Bericht widersprüchliche Angaben zu finden? Das kann doch eigentlich gar nicht sein. Haben Sie konkrete Widersprüche gefunden?

Julian v. Hassell: Ich möchte hier nicht den Oberlehrer spielen. Aber eine Gesellschaft, die angeblich aus Fehlern gelernt hat, schreibt auf S. 3 des Berichts: „Am 13. April hat die Staramba SE die Staramba USA übernommen […].“ Auf. S. 9 dagegen heißt es: „Im Februar 2017 übernahm die Gesellschaft für TEUR 5.100 alle Anteile an der Staramba USA Corp.“ Im Halbjahresfinanzbericht zum 30. Juni 2017, der übrigens entgegen dem Auftrag der Hauptversammlung keiner prüferischen Durchsicht durch BDO unterzogen wurde, heißt es auf S. 14, der Kauf sei „im März“ erfolgt. Widersprüchlich oder mindestens hochgradig intransparent sind auch die diesbezüglichen Angaben zu den Verkäufern und zum Wert der erworbenen Assets. Das schafft kein Vertrauen in die Kompetenz des Managements.

Gab es auch Anhaltspunkte in der Hauptversammlung, die erklären könnten, warum letztendlich BDO das Testat verweigerte? Es ging wohl auch um Abschreibungen von Sacheinlagen?

Julian v. Hassell: Ich fragte die Gesellschaft, warum sie so massiv gegen den WP angehe. Er habe doch beispielsweise zutreffend festgehalten, dass die immateriellen Vermögenswerte der Gesellschaft – hier sind die im Jahr 2016 der heutigen Staramba SE zugeführten Werte aus dem oben beschriebenen Kauf der Staramba GmbH – Anteile gemeint – noch stärker als dies nach der ersten Testat-Verweigerung im Mai erfolgte, abgeschrieben werden müssen. Denn der immaterielle Wert der ehemaligen Staramba GmbH basiert, wie bei allen Startups, auf Planumsätzen. Und diese Planumsätze aus dem Jahr 2016 wurden eben, wie die Gesellschaft auf der HV auf unseren Druck hin schließlich zugab, in den Jahren 2017 und erst recht in 2018 mit nur 300 TEUR „echtem“ Umsatz, dramatisch verfehlt.

Das hört sich alles nicht wirklich beruhigend für die Aktionäre der Gesellschaft an. Werden sie gegen einzelne Punkte der Tagesordnung der HV gerichtlich vorgehen?

Julian v. Hassell: Die Entlastungen sind rechtswidrig und ich werde dagegen Anfechtungsklage erheben, mit dem Ziel die Beschlüsse für nichtig zu erklären. Weitere aufgrund der Hauptversammlung mögliche Schritte hängen davon ab, wie sich der neue Verwaltungsrat unter dem neuen Vorsitz von Herrn Elgeti verhält. Jeder hat eine Chance verdient. Doch die Geduld der Aktionäre, besonders meine, ist endlich.

Was denken Sie eigentlich im Moment über die STARAMBA SE: ihren Geschäftsansatz, die Umsetzung der Strategie, die Zukunftsaussichten?

Julian v. Hassell: Offen gestanden weiß ich nicht, welches Geschäftsmodell die Gesellschaft derzeit verfolgt, falls sie überhaupt eines verfolgt. Den bisherigen Verlautbarungen der Gesellschaft kann man ja nun wirklich nicht mehr über den Weg trauen. Schlimm ist, wie der Geschäftsverlauf 2018 noch bis unmittelbar vor der HV kommuniziert wurde. Nämlich überhaupt nicht. Ich hoffe jedenfalls, Herrn Elgeti gelingt es, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Wie schon gesagt: Dass die Gesellschaft am Ende in 2018 nur € 0,3 Mio. Umsatz mit dem Verkauf von 3D-Scannern, VR-Software und 3D Modelling Dienstleistungen und Figuren-Druck gemacht hat, ist gemessen am Vorjahr zwar sicher kein Ruhmesblatt, jedoch an und für sich nicht schlimm, wenn man dafür mit den ca. 100 Mitarbeitern per 31.12.2018 in ein neues Geschäftsfeld wie z.B. Virtual Reality investiert hat.

Wahrscheinlich sehen andere Aktionäre oder Verantwortliche der STARAMBA, dass alles ganz anders. Was würden Sie denen sagen?

Julian v. Hassell: Ich fürchte, man kann da nichts anders sehen. Ich interpretiere ja nicht und mutmaße auch nicht. Ich sehe nur, was war und ist.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel}

Was müsste sich Ihrer Meinung nach bei der STARAMBA ändern, dass ein solches Theater wie um die 2017 Bilanz sich nicht wiederholt?

Julian v. Hassell: Worten müssen Taten folgen. Und wenn man den Worten keine oder andere Taten folgen lässt, dann hat man das gefälligst bekannt zu geben, wenn man im regulierten Markt sein möchte und sich damit Transparenzpflichten unterworfen hat. Ferner: Die Gesellschaft befindet sich in dem oben beschriebenen strategischen Dilemma: Einerseits Start-up, andererseits börsennotiert. Das ist wirklich keine leichte Aufgabe, weshalb man Aktionäre braucht, die sehr viel Geduld, Vertrauen und auch Verständnis für das besondere Geschäft mitbringen. Und dieses Vertrauen will permanent gefüttert werden. Da schließt sich der Kreis. Bei 20 Prozent Streubesitz darf man sich nicht aufführen, als hätte das restliche Aktionariat nichts zu melden.

Herr v. Hassell, vielen Dank für das Interview.

 

Julian v. Hassell | Serial Entrepreneur, Gründer und Investor im Startup-Geschäft

v hassell

Julian v. Hassell, 55, ist seit 1996 als Serial Entrepreneur, Gründer und Investor im Startup-Geschäft tätig. Sein Gesellenstück waren der Kauf, die Sanierung und der Verkauf der Immobilien-Software Kopernikus. Dieses Asset hatte er 2002 gemeinsam mit einem Partner aus der Insolvenzmasse der börsennotierten agiplan Technosoft AG erworben, die „zu sportlich“ bilanziert hatte. Er sanierte diese Gesellschaft in den schwierigen Jahren nach dem Platzen der Internetblase um die Jahrtausendwende und verkaufte sie 2005 im Rahmen eines Trade Sale an die Conject AG, München. Von 2013-2017 war Julian v. Hassell CEO der Social Commerce Group SE, der heutigen Staramba SE. Seitdem arbeitet er als Business Angel und investiert jedes Jahr 3 x 100 TEUR vorwiegend in B2B-Softwareunternehmen.

 

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