In unserem heutigen Interview konnten wir unsere Fragen an Herrn Dr. Jens Gerhardt, Vorstandssprecher der HanseYachts AG (ISIN: DE000A0KF6M8), stellen. Deutschlands größter Serienyachthersteller sitzt auf einem Rekord-Auftragsbestand von 153,6 Mio. Euro (plus 64% gegenüber Vorjahr). „Der Wunsch nach einem eigenen Schiff hat uns volle Orderbücher beschert, auch weil wir den Vertrieb inzwischen soweit digitalisiert haben, dass wir auch im Lockdown erfolgreich Boote verkaufen können“, erläutert Dr. Gerhardt. Aktuell weist HanseYachts die beste Liquiditätssituation seit dem Börsengang im Jahr 2007 auf.
Herr Dr. Gerhardt, HanseYachts sitzt auf einem Rekordauftragsbestand von 153,6 Mio. Euro. Nach dem ersten Lockdown im Frühling 2020 gab es noch eine Auftragsdelle. Was hat sich seitdem verändert?
Dr. Gerhardt: Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 musste sich jeder erst einmal um seine private Situation kümmern. Niemand kannte eine solche Lage. Als der erste Lockdown aufgehoben wurde, hatte sich die Welt verändert. Die Art Urlaub zu machen war plötzlich eine andere. Galt es vorher als angenehm, sich auf einem Kreuzfahrtschiff inmitten vieler weiterer Gäste zu vergnügen, wurde nun plötzlich wieder Individualität gesucht. Ein eigenes Schiff ist viel sicherer für mich und meine Familie und es ist leicht, Abstand zu halten und lokal einen tollen Urlaub zu genießen. Dieses Umdenken und der Wunsch nach eigenem Schiff hat uns volle Orderbücher beschert, auch weil wir den Vertrieb inzwischen soweit digitalisiert haben, dass wir auch im Lockdown erfolgreich Boote verkaufen können.
Welche Modelle verkaufen sich derzeit besonders gut oder zieht sich die hohe Nachfrage durch alle Marken und Bootsklassen?
Dr. Gerhardt: Der Trend zum eigenen Boot zieht sich durch alle Marken, wobei die kleineren Bootsklassen besonders stark nachgefragt werden. Das ist sicher der Lokalität geschuldet. Vor der Pandemie konnte man sich das Boot aussuchen und notfalls das Revier daran anpassen. Das geht jetzt andersherum: Wenn in meinem Revier eine Restriktion herrscht, dann bin ich daran gebunden – zum Beispiel, was den maximalen Tiefgang oder die Breite der Liegeplätze angeht. Mit kleineren Yachten ist man hier flexibler.
Mit der Auszeichnung der Moody 41 Decksalon bei den British Yachting Awards zur „Cruising Yacht of the Year 2020 sowie die jüngsten Auszeichnungen der Fjord 41 XL als „European Powerboat of the Year 2021“ und der zweifachen Auszeichnungen der Dehler 30 one design bei den Best Boats 2021 Awards des amerikanischen SAIL Magazins sprechen für die Qualität Ihrer Produktpalette. Welche Neuheiten haben Sie in der Pipeline?
Dr. Gerhardt: Wir arbeiten an einem ganzen Feuerwerk neuer Modelle: Bis zum Herbst bekommen Hanse, Moody, Sealine, Dehler und Fjord neue Modelle. Wir haben seit dem Start der Pandemie die Entwicklung neuer Modelle beschleunigt. Zum einen in der Hoffnung auf gute neue Märkte, aber auch zur Absicherung möglicher Risiken, denn neue Modelle verkaufen sich besser als alte und in Zeiten von Unsicherheit sollten Risiken minimiert werden.
Wie sehr beeinträchtigen Sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie derzeit auf Produktionsseite?
Dr. Gerhardt: Die Corona-Pandemie erschwert natürlich die Planung auf der Produktionsseite: So behindern plötzlich geschlossene Grenzen und stockende Warenflüsse den reibungslosen Ablauf in den Werken. Wenn Teile fehlen, können wir die Boote nicht lean und just in time in einem Rutsch am Band fertigen. Erschwerend kommen temporäre, pandemiebedingte Engpässe auf der Personalseite hinzu. In diesem herausfordernden Umfeld managen wir vieles auf Sicht. Für einige unserer Kunden heißt das übersetzt, dass wir manche Boote erst mit einigen Wochen Verspätung ausliefern können. Für die Geduld unserer Kunden sind wir sehr dankbar.
Trotz der Belastungen aus der Corona-Pandemie erwarten Sie im laufenden Geschäftsjahr 2020/2021 ein positives EBITDA – bei einem moderat steigenden Umsatz. Welche Erwartungen haben Sie vor dem Hintergrund des hohen Auftragsbestandes für das kommende Geschäftsjahr?
Dr. Gerhardt: Aus den genannten Gründen ist derzeit besonders schwer detaillierte Prognosen für die kommenden Monate abzugeben. Wenn alle Waren wieder pünktlich in unsere Werke kommen und ein normaler Krankenstand herrschen wird, werden wir mit diesem fantastischen Auftragsbestand sehr gut disponieren und hervorragende Zahlen abliefern können. Ich kann aber leider noch nicht sagen, wann genau das sein wird – wir hoffen schon ab Sommer. Entsprechend positiv könnten wir auf das am 1. Juli startende Geschäftsjahr 2021/2022 blicken.
Wie ist es nach der Neuordnung Ihrer finanziellen Situation im Jahr 2020 aktuell um die Finanzen der HanseYachts AG bestellt? Gibt es weiteren Kapitalbedarf in den kommenden Monaten?
Dr. Gerhardt: Zum Stichtag 31. Dezember verfügten wir über ein Guthaben bei Kreditinstituten in Höhe von 21,8 Mio. Euro. Damit weist HanseYachts aktuell die beste Liquiditätssituation seit dem Börsengang im Jahr 2007 auf. Das ist auch gut für den Absatz, da Kunden uns leicht Geld anvertrauen können – trotz Pandemie. Wir haben in der Krise gut gewirtschaftet, zudem beschert uns die in 2020 erfolgte Refinanzierung auf der Fremdkapitalseite signifikante Zinseinsparungen. Kapitalbedarf haben wir derzeit nicht und auch weitere Kapitalmaßnahmen sind derzeit nicht geplant.
Wie hat sich die Yacht-Branche durch die Corona-Krise verändert und was wird dabei von Dauer sein?
Dr. Gerhardt: Wir haben vor der Pandemie rund 70 % unserer Produkte auf Messen verkauft. Inzwischen verkaufen wir auch dank der Digitalisierung unseres Vertriebs deutlich mehr als vorher und auch viel kontinuierlicher und das ohne die Unterstützung durch Messen. Ich bin überzeugt, dass sich die Abhängigkeit von teuren Messen deutlich und nachhaltig verringern wird. Im Gegenzug werden digitale Vertriebskanäle weiter an Bedeutung gewinnen. Darauf sind wir bestens vorbereitet.
Herr Dr. Gerhardt, vielen Dank für das Interview.
Chart: HanseYachts AG | Powered by GOYAX.de
Dr. Gerhardt hat nach dem Studium der Physik in Hamburg und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit anschließender Promotion zunächst als Berater für McKinsey gearbeitet. Eine langjährige Tätigkeit in der Kommunikationsbranche schloss sich an, zuletzt bis 2011 als COO in einem Schweizer Unternehmen. Dr. Jens Gerhardt, Jahrgang 1967, ist leidenschaftlicher Surfer und Fahrtensegler.
Kurzinfo zum Unternehmen
Die HanseYachts AG ist der zweitgrößte Segelyacht-Hersteller der Welt, gemessen an der Anzahl der jährlich in Serie gefertigten Yachten. Bei Katamaranen und Motoryachten gehört das Unternehmen jeweils zu den Top-10-Herstellern weltweit. Die HanseYachts AG betreibt unter dem Dachnamen „HanseGroup“ die Segelyachtmarken Hanse, Dehler, Moody, Privilège sowie die Motoryachtmarken Sealine und Fjord. Über 40 verschiedene Modelle bilden eines der modernsten und vielfältigsten Freizeityacht-Angebote auf dem Markt. Am Standort Greifswald werden in unmittelbarer Nähe zur Ostsee Premiumyachten – Made in Germany – hergestellt und in über 100 Länder exportiert. Seit 2007 ist die HanseYachts AG börsennotiert (General Standard).