Die Aktie der Frequentis AG (ISIN: ATFREQUENT09) zeigt sich relativ krisenresistent, um nicht zu sagen als Fels in der Brandung. Warum das so ist, wird vielleicht klar, wenn man unser Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Frequentis AG, Herrn Norbert Hasslacher, liest. Spannend zu erfahren, warum Inflation und Lieferkettenprobleme keine so starke Belastung für die Österreicher sind. Und ein Blick auf den Chart der Aktie sollte vorab derzeit gebeutelten Aktienanlegern etwas Freude machen:
nwm: Herr Haslacher, was hat Sie am bisherigen Verlauf dieses Geschäftsjahres am meisten überrascht?
Norbert Hasslacher: Ich war positiv überrascht, dass der Spirit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Frequentis nicht unter der Pandemie gelitten hat. In den vielen persönlichen Gesprächen habe ich einmal mehr festgestellt, wie wichtig der direkte Kontakt ist. Nicht nur intern, sondern auch zum Kunden.
nwm: Frequentis wird am 17. August die Halbjahreszahlen präsentieren. Wie hat sich das operative Geschäft bislang in diesem Jahr entwickelt?
Norbert Hasslacher: Wir sind mit frischer Energie in das 75. Jahr von Frequentis gestartet und haben wegweisende Aufträge gewonnen, z. B. für das Drohnenmanagement von Austro Control oder den Remote Digital Tower für Frankreich. Im Segment Public Safety, also öffentliche Sicherheit, konnten wir mit der Akquisition der italienischen Regola unser Produktportfolio deutlich erweitern. Es bringt uns unserer Vision, weltweit die Nummer Eins für sicherheitskritische Kontrollzentralen zu werden, einen Schritt näher.
nwm: Erwarten Sie, dass Faktoren wie Lieferkettenengpässe oder steigende Inflation das operative Geschäft weitaus stärker als im Vorjahr belasten?
Norbert Hasslacher: Nur in eingeschränktem Ausmaß. Die Inflation ist ein Thema für Gehaltsabschlüsse, dies wird dann eher das Jahr 2023 belasten. Aus heutiger Sicht sind die Auswirkungen im Jahr 2022 nicht als signifikant einzustufen.
nwm: Welche Maßnahmen ergreift Frequentis, um mögliche Folgen einzudämmen?
Norbert Hasslacher: Bezüglich der Inflation ist es so, dass es Anpassungs-Klauseln in einem guten Teil der Verträge gibt. Nur mehr ein kleiner Teil unseres Umsatzes besteht aus Hardware – und hier haben wir gut vorgesorgt und werden dies auch weiter tun. Für kommerzielle Hardware, die da und dort für Projekte benötigt wird, sind wir wie auch andere Unternehmen von längeren Lieferzeiten betroffen.
nwm: Ist Frequentis weiter in der Lage, steigende Material-, Logistik- und Personalkosten produktseitig an die Kunden weiterzureichen?
Norbert Hasslacher: Je nach Vertrag entweder direkt oder wir preisen es in die neuen Aufträge ein.
nwm: Wo muss Frequentis, um Kosten einzusparen, den Rotstift am meisten ansetzen?
Norbert Hasslacher: Im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie vermeiden wir unnötige Flüge und Reisen. Wir erwarten uns in Summe Einsparungen von rund 10 bis 20% bei den Reisen gegenüber den Jahren vor der Pandemie.
nwm: In welchen Teilbereichen der sicherheitskritischen Leitzentralen verspüren Sie am deutlichsten, dass die Nachfrage anzieht?
Norbert Hasslacher: Wir sehen gute Nachfrage und auch einen Aufwärtstrend in allen Märkten in den nächsten Jahren, allerdings mit unterschiedlich starker Ausprägung.
nwm: Wie verläuft die Integration der 2021 von L3 Harris erworbenen Geschäftsfelder und in welcher Größenordnung erwarten Sie für 2022 deren Beiträge bei Umsatz und EBIT?
Norbert Hasslacher: Die Integration der Einheiten in Australien, Deutschland und Kanada von L3 Harris ist bereits im Jahr 2021 gut vorangeschritten. Von diesen Einheiten wurden bereits rund 20 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet. In diesem Jahr kommen noch zusätzlich 10 Mio. Euro dazu, weil die Einheiten dann das gesamte Jahr konsolidiert sind.
nwm: Etliche Airlines und Sicherheitsdienstleister haben im Verlauf der Coronapandemie aus Kostengründen massiv Personal abgebaut. Jetzt macht sich diese Personallücke an den Flughäfen bemerkbar. Welche Produkte von Frequentis erleichtern Engpässe bei Flugkontrolle und Passagierabfertigung?
Norbert Hasslacher: Unser Fokus liegt auf der Flugverkehrskontrolle. Hier haben wir für Flughäfen spezifische Systeme, die die Effizienz steigern und zusätzlich auch eine gewichtige nachhaltige Komponente haben, nämlich die Einsparung von Emissionen. Neben der Verbesserung des Rollverkehrs auf den Flughäfen bieten wir auch Systeme an, die die Arbeit der Fluglotsen im Management ankommender und abfliegender Flugzeuge erleichtert und effizienter macht. Damit kann Personalengpässen bei den Lotsen gegengesteuert werden.
nwm: Um das Produktsortiment in der sicherheitskritischen Kommunikation in Leitzentralen auszubauen, hat Frequentis im Februar die italienische Firma Regola mehrheitlich übernommen. Welche Zielmärkte wollen Sie zusammen vorzugsweise angehen?
Norbert Hasslacher: Unser gemeinsamer Fokus ist Europa.
nwm: Befinden Sie sich hier zurzeit in Verhandlungen zu Vertragsabschlüssen?
Norbert Hasslacher: Wir haben einige Angebote angegeben und warten auf die Rückmeldung der Kunden.
nwm: Frequentis ist weltweit aktiv. Welche geografischen Zielmärkte will das Unternehmen in den nächsten Jahren verstärkt angehen?
Norbert Hasslacher: Neben unserem Heimatmarkt Europa sehen wir Nord- und Südamerika sowie Asien und Australien als Zielmärkte.
nwm: Akquisitionen, die das organische Wachstum ergänzen, sind bei Frequentis seit jeher ein Bestandteil der Geschäftsstrategie. In welchen Bereichen sind künftige Zukäufe am ehesten denkbar?
Norbert Hasslacher: Wir wollen bei unseren Akquisitionen eine Balance zwischen den beiden Segmenten Air Traffic Management und Public Safety & Transport beibehalten.
nwm: Anders als bei den meisten börsengelisteten Unternehmen aus Österreich behält die Frequentis-Aktie weiter ihre Flughöhe. Wie erklären Sie sich das und welches Feedback erhalten Sie von den Investoren im Rahmen Ihrer IR-Aktivitäten?
Norbert Hasslacher: Wir sehen und hören positives Feedback von den Investoren zu unserem Geschäftsmodell und der Umsetzung. Dies zeigte sich auch am 1. Platz in der Kategorie MidCap beim Wiener Bröse Preis im Juni 2022.
nwm: Führt Frequentis in diesem Jahr mehr Investoren-Events durch als in der Vergangenheit?
Norbert Hasslacher: Im Jahr 2021 waren alle Events virtuell, jetzt kommen auch einzelne Roadshows vor Ort zum Investoren-Kalender hinzu.
nwm: Unter welchen Voraussetzungen würde Frequentis in seiner Dividendenpolitik die Ausschüttungsquote erhöhen?
Norbert Hasslacher: Wir bleiben bei unserer Dividendenpolitik und sehen dies auch vor dem Hintergrund von potenziellen Akquisitionen als angemessen.
nwm:Haben Sie selbst in den letzten Monaten Frequentis-Aktien gekauft?
Norbert Hasslacher: Im Mai 2022 habe ich als CEO aus dem langfristigen Incentivierungs-Programm Aktien übertragen bekommen.
nwm: Verbringen Sie selbst inzwischen für Geschäftsreisen wieder genauso viel Zeit im Flieger wie vor dem Ausbruch der Coronapandemie?
Norbert Hasslacher: Für das Vertriebs-Team und auch für mich ist der Kontakt mit den Kunden sehr wichtig. In Summe ist es weniger, weil einfache Abstimmungs-Meetings eigentlich nur mehr virtuell stattfinden.
nwm: Über welche Erfolge und erreichten Ziele bei Frequentis würden Sie sich am Ende dieses Geschäftsjahres am meisten freuen?
Norbert Hasslacher: Wir bleiben bei unseren im April verkündeten Zielen für das Jahr 2022, also einer Steigerung des Umsatzes und des Auftragseingangs.
nwm: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg beim Erreichen Ihrer Ziele.
Norbert Hasslacher | Vorstandsvorsitzender Frequentis AG
Norbert Haslacher ist seit April 2015 Mitglied des Vorstands der Frequentis AG für Vertrieb und Marketing und wurde im April 2018 zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Verantwortungsbereiche: Strategy, Sales, Strategic Business Units, Business Development, Investor Relations, Corporate Communications & Marketing.
Norbert Haslacher studierte Betriebswirtschaft an der Business School St. Gallen und verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung im Bereich Technologielösungen, Dienstleistungen und Beratung, unter anderem als Geschäftsführer für Österreich und Osteuropa für das US-amerikanische IT-Unternehmen CSC sowie davor als Berater für Coopers & Lybrand Consulting.
Über die Frequentis AG:
Frequentis ist ein globaler Anbieter von Kommunikations- und Informationssystemen für Kontrollzentren mit sicherheitskritischen Aufgaben. Das börsennotierte Familienunternehmen entwickelt und vermarktet seine „Control Center Solutions“ in den Segmenten Air Traffic Management (zivile und militärische Flugsicherung, Luftverteidigung) und im Segment Public Safety & Transport (Polizei, Feuerwehren, Rettungsdienste, Schifffahrt, Eisenbahnen). Mit einem Marktanteil von 30% ist Frequentis Weltmarktführer bei Sprachkommunikationssystemen für die Flugsicherung. Frequentis ist auch Weltmarktführer bei Aeronautical Information Management und Aeronautical Message Handling Systemen.
Als Global Player mit rund 2.150 Mitarbeitern verfügt Frequentis über ein weltweites Netzwerk von Unternehmen in mehr als 50 Ländern. Der Hauptsitz befindet sich in Wien, Österreich. Die Produkte, Services und Lösungen von Frequentis werden an mehr als 40.000 Betreiberarbeitsplätzen in rund 150 Ländern eingesetzt. Arbeitsplätzen in rund 150 Ländern eingesetzt. Die Frequentis-Aktien werden an der Wiener und Frankfurter Börse gehandelt; ISIN: ATFREQUENT09, WKN: A2PHG5.
Im Jahr 2021 lag der Umsatz bei EUR 333,5 Mio. und das EBIT bei EUR 29,0 Millionen. Überall dort, wo Frequentis-Systeme zum Einsatz kommen, können sicherheitskritische Betreiber vertrauensvoll die Verantwortung für die Sicherheit von für die Sicherheit anderer Menschen und Güter übernehmen. Mit seinen Lösungen zur Optimierung des Flugverkehrs setzt sich das Unternehmen auch für eine nachhaltigere Zukunft ein. Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft.