Die Woche der Enthüllung, wieder einmal eine Enthüllung über die Wirecard AG (ISIN: DE0007472060). Und wieder Kursreaktionen, besonders extrem am Abend, als der Handel sowieso schon „dünn“ war und die Handelsblatt-Vorabveröffentlichung größtmögliche Kursauswirkungen haben konnte.
Wenn nach 18.00 Uhr die meisten Börseninteressierten, Fondsmanager und Anleger an Feierabend, Einkaufen oder Sport denken, erreicht man mit einer Skandalnachricht über einen börsennotierten Wert die größtmögliche Kurs-Auswirkung wegen fehlender Liquidität am Markt. {loadmodule mod_custom,Sentifi Text Widget}
Sonderbares Timing
Also vom Timing her zumindest unglücklich oder absichtlich würden jetzt „Verschwörungstheoretiker“ unterstellen. „Wäre es nicht besser in Kenntnis der wahrscheinlichen Kursauswirkung eine solche Vorabveröffentlichung außerhalb der Handelszeiten zu machen, um allen die Chance zum Bewerten zu geben?“ – naiver Wunsch.
Jedenfalls: Es bleibt keine Zeit zum Prüfen oder Hinterfragen, der Frankfurter Handel, einige Regionalbörsen und Handelsplätze sind ja noch offen – der Hauptumsatzplatz für Deutsche Aktien, der mit Abstand liquideste, der XETRA-Handel schließt bereits um 17:30 Uhr. Und je später es ist, desto weniger liquide sind diese Märkte und so denkt man allein am Handelsmonitor sitzend, besser als erster raus bei einem „NICHTTESTAT“ als der letzte sein. Wer also noch am Ticker sitzt, will erstmal raus. Und zwar bevor er darüber nachdenkt, ob ein Nichttestat für eine nach lokalen Buchhaltungsstandards erstellte Bilanz aus dem Jahr 2017 für eine „kleine“ Tochter eines DAX-Konzerns essentiell wichtig ist. folgerichtig ging es so am Abend des 19. im Tief bis auf 102,00 EUR runter – extrem, als ob zum ersten Mal überhaupt über Unregelmäßigkeiten in der Singapur-Unit diskutiert würde. Am nächsten Tag, wieder mit allen Marktteilnehmern, die über Nacht Zeit hatten, die „Sensation“ einzuordnen, ging es natürlich auch runter, jedoch „nur“ bis auf 112,00 EUR, um sich dann wieder im Laufe des Tages auf 117,00 EUR zu erholen. Es bleibt also am Ende ein Kursrücksetzer, wie er bei der volatilen Wirecard-Aktie in diesen Zeiten häufiger vorkommt. Die „Masse“ scheint bedachtsamer umzugehen, als der nervöse Einzelkämpfer.
Was heißt das jetzt?
Wir haben, nachdem wir im ersten Moment auch überaus irritiert waren: „Testat-Versagung in Singapur“ -passt ja alles auf einmal zusammen, scheinbar, dann „in Ruhe am nächsten Tag“ die vorhandenen Informationen gesichtet, insbesondere die Absätze in der testierten Wirecard-Konzernbilanz-2018 betreffend den Singapurkomplex, mutmaßlich in Kenntnis der Testats-Versagung oder zumindest drohenden Versagung (man trifft ja auf Kollegen des gleichen Hauses) von E&Y verfasst; und zumindest in Anbetracht, Prüfung in Hinblick auf und unter Berücksichtigung der „Whistleblower“-Vorwürfe über die Singapureinheit. HIER AUSFÜHRLICH. Fazit: Das versagte Testat respektive die nach lokalen Standards erstellte – angezweifelte – Einzelbilanz hat nach Meinung der E&Y-Wirtschaftsprüfer, natürlich „vorläufig, sofern die Ermittler in Singapur…“, keinen negativen Impact auf die IFRS-Konzernbilanzen 2018 noch auf 2017 (eine Korrektur im einstelligen Millionenbereich war vorgenommen worden nach Prüfung der FT-Phase I-Vorwürfen) der Wirecard AG. {loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Was bleibt?
Ein Gespinst an Überzeugungen auf beiden Seiten, verunsicherte Anleger, wilde Diskussionen über koordinierte „Shortaktionen“ im Vorfeld der Handelsblattveröffentlichung, Unsicherheit – alles Gift für eine unbeeinflusste, durch fundamentale Fakten oder Visionen gebildete Marktmeinung über ein Unternehmen und seinen Anteilsschein. UND DAS WARTEN AUF KPMG, um endlich einen Schlusspunkt setzen zu können, oder eben erst richtig anzufangen mit den Zweifeln. Jedenfalls hat die Kenntnis der Testat-Versagung in Singapur keine wesentlichen neuen Erkenntnisse geliefert. Insbesondere, da sogar die FT keine „lauten“ Einwände gegen die Einschätzung der Singapur-Buchungen seitens E&Y erhoben hat. FT hat vielmehr „unabhängig“ von einer selbst ausgesuchten und beauftragten Rechtsanwaltskanzlei das Zusammenspiel ihrer Reporter mit Leerverkäufern prüfen und dann offiziell „wegen keinerlei Hinweise oder Beweise gefunden“ negieren ließ. Bisher gibt es keine Einstellungsmitteilung – unseres Wissens – von der STA München bezüglich der dort gestarteten Ermittlungen in ähnlicher Stoßrichtung gegen die FT-Reporter.
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NUR ZWEI NACHRICHTEN VON GESTERN ÜBER DIE ES UNSERER MEINUNG NACH MEHR SINN MACHT NACHZUDENKEN IM ZUSAMMENHANG MIT WIRECARD:
1. Gestern gab PAYPAL bekannt, für 4 Milliarden USD die Rabattplattform Honey Science zu übernehmen. Wirecard hat schon ein eigenes Loyality-Programmmodul zur Diversifizierung, interessant, dass Paypal zur diversifizierung 4 Milliarden ausgibt und Wirecard….
2. Im Managermagazin wird darüber spekuliert, das angeblich Uber darüber nachdenke von Adyen zu Wirecard zu wechseln. Das wäre der Hammer für Wirecard einem direkten Wettbewerber … NACHTRAG 13:05 Uhr, 22.11.2019: Selbst wenn es jetzt wild dementiert wird, dass allein solche Gerüchte aufkommen können, spricht nicht unbedingt gegen Wirecard…
Aktuell (22.11.2019 / 07:40 Uhr) notierten die Aktien der Wirecard AG im XETA-Handel zum Schluss gestern um 17:35 Uhr nahezu unverändert bei 117,20 EUR.