Der Münchener Private-Equity-Investor Mutares SE & Co. KGaA (ISIN: DE000A2NB650) legt ein atemberaubendes Tempo vor. Vor wenigen Tagen meldete der Turnaround-Spezialist die Übernahme der französischen Lapeyre von Saint-Gobain, welche gleichzeitig auch die größte bisher in der Unternehmensgeschichte getätigte Akquisition darstellt. Heute präsentierte Mutares mit dem geplanten Verkauf von Nexive an Poste Italiane das nächste Highlight. Der Kauf der Mehrheitsbeteiligung am zweitgrößten Brief- und Paketanbieter Italiens wurde erst im Juli 2020 abgeschlossen. Damit sind die Münchener auf bestem Weg zum bisher schnellsten Exit, der die hoch gesteckten ROIC-Kriterien sogar deutlich übertrifft. Im Erfolgsfall können sich die Aktionäre von Mutares zusätzlich zur ohnehin bereits üppigen Basisdividende von 1,00 Euro auf eine zusätzliche Performance-Dividende freuen. Im Interview mit dem Nebenwerte-Magazin verraten CEO Robin Laik und CIO Johannes Laumann weitere Details zu den jüngsten Deals und wie sie die weiteren Perspektiven von Mutares sehen.
Lesen Sie auch: Mutares Aktie: Heute bereits Vollzug gemeldet. Ging schnell, sehr schnell
Herr Laik, das Tempo, das Mutares aktuell an den Tag legt, ist beeindruckend. Mit dem avisierten Kauf von Lapeyre von Saint-Gobain hat Mutares ein dickes Ausrufezeichen gesetzt. Wenn man der französischen Presse Glauben schenken kann, haben Sie sich gegen Verdoso und die Cevital-Gruppe durchgesetzt. Was hat letztendlich den Ausschlag für Mutares gegeben?
Robin Laik: Ich denke entscheidend waren letztlich unser starkes Team und die Geradlinigkeit unserer Offerte. Wir sind überzeugt, der „Best New Owner“ für Lapeyre zu sein und gemeinsam mit dem Lapeyre-CEO Marc Ténart das Ruder auch schnellstmöglich herumreißen zu können. Lapeyre hat wahnsinniges Potenzial und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese Akquisition die erfolgreichste der Mutares-Unternehmensgeschichte wird.
Ist die Annahme eines symbolischen Kaufpreises angesichts der Tatsache, dass Lapeyre bei gut 600 Mio. Euro Umsatz mit geschätzt 60 bis 90 Millionen Euro pro Jahr verlustträchtig ist, zutreffend?
Robin Laik: Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Allerdings haben wir ein Commitment zum Closing in Höhe von 15 Mio. Euro gegeben, das der Gesellschaft Lapeyre zugutekommt.
Herr Laumann, bei den bei solchen Deals üblichen Sanierungszulagen gibt es unterschiedliche Angaben. In älteren Presseberichten ist von 300 bis 400 Mio. Euro die Rede, die Saint-Gobain der Ex-Tochter mit auf den Weg geben will. Bei den jüngsten französischen Presseberichten wird über 215 bis 245 Mio. Euro spekuliert. Welche Angabe ist nun richtig?
Johannes Laumann: Ich kann hier lediglich den Kassenbestand am Closing in Höhe von 245 Mio. Euro aus der Presseerklärung von Saint-Gobain bestätigen. Darüber hinaus hat die Gesellschaft wesentliches Vermögen in Form von Immobilien, Technischen Anlagen und Maschinen sowie Vorräten.
Frankreich gilt hinsichtlich der Macht der Gewerkschaften etc. als ein sehr schwieriger Markt, gerade wenn es um Personalmaßnahmen geht. Inwiefern macht das eine Restrukturierung schwieriger, etwa im Vergleich zu anderen europäischen Standorten?
Johannes Laumann: Wie Sie wissen, habe ich einen starken operativen Hintergrund und auch in meiner Vergangenheit schon in vielen Ländern erfolgreich restrukturiert. Ich denke es ist in jedem Land auf seine Art eine Herausforderung und eine Personalanpassung ist aus meiner Sicht auch immer nur Teil einer Restrukturierung und niemals das Allheilmittel. Persönlich ist mir wichtig, dass wir die Menschen hinter der Maßnahme nicht vergessen und gegebenenfalls bei Härtefällen auch mal fünf gerade sein lassen.
Zum Kapitalmarkttag haben Sie auf Holding-Ebene eine exit-unabhängige Netto-Rendite auf den Konzernumsatz von 1 % in Aussicht gestellt. Ab wann rechnet sich Lapeyre im Rahmen dieser Größenordnung?
Johannes Laumann: Die Netto-Rendite gilt über das gesamte Portfolio und damit trägt auch Lapeyre ab dem Zeitpunkt des Closings dazu bei. Es gibt hier keine Ausnahmen.
Kommen wir zur Exitseite: Der geplante schnelle Verkauf von Nexive an Poste Italiane ist einerseits ein Erfolg, andererseits sehr ungewöhnlich, da er derart schnell erfolgte. Warum ging es so schnell, abgesehen von den Restrukturierungserfolgen?
Robin Laik: Mit Sicherheit hat unser Team dort fantastische Arbeit geleistet und in kürzester Zeit zählbaren Erfolg gefeiert. Ein zeitlich limitiertes Gesetz in Italien, das auf Grund der COVID-19-Auswirkungen ins Leben gerufen wurde, ermöglicht unter anderem der Poste Italiane Übernahmen zu tätigen, die zwar dann einer kartellrechtlichen Freigabe unterliegen, diese aber deutlich abgeschwächt ist gegenüber dem Regelfall. Das Gesetz hat eine aktuelle Gültigkeit bis 01.01.2021.
Da es so schnell ging: War der Ausbau der Nexive-Plattform keine Option, um den Wert und damit den ROIC noch einmal zu steigern?
Johannes Laumann: Sicherlich war das eine Option und auch ehrlicherweise unsere Intention beim Kauf der Gesellschaft. Allerdings sind wir auch opportunistisch und streben danach unseren Shareholder Value zu maximieren. Wir sehen den Verkauf an Poste Italiane als einmalige Möglichkeit im Rahmen nationaler COVID-19-Maßnahmen in Italien.
Wie hoch ist die Gefahr, dass der Deal schlussendlich noch platzt, rechnen Sie mit kartellrechtlichem Gegenwind?
Robin Laik: Wie bereits beschrieben, gibt es einen kartellrechtlichen Sonderweg für eine gewisse Zeit. Ich bin sehr optimistisch, dass wir die Transaktion erfolgreich abschließen werden. Alle beteiligten Unternehmen sind sehr committed.
Der Nexive-Verkauf ebnet den Weg für eine Performance-Dividende. Wie hoch soll diese im Erfolgsfall ausfallen? Es wird bei der Dividende für 2020 bereits über insgesamt 1,50 Euro also einen Aufschlag von 50 Cent spekuliert. Kommt das hin?
Robin Laik: Ich beteilige mich sehr ungern an Spekulationen, aber wir haben angekündigt, dass ein wesentlicher Verkauf zu einer Performance-Dividende führen wird. Wie hoch diese ist, werden wir dann im Laufe der Zeit sehen. Lassen Sie uns erst einmal die Transaktion zu Ende führen, den Bären erlegen und dann das Fell verteilen. Seien Sie aber gewiss, als Hauptaktionär habe ich mit das größte Interesse an einer Performance-Dividende.
Kommen wir kurz zu der zum Kapitalmarkttag veröffentlichten Prognose: Mit den jüngsten Übernahmen (insbesondere durch Lapeyre) ist Mutares im Konzern annualisiert bereits bei einem Umsatz von schätzungsweise 2,4 Mrd. Euro per 2021. Vor diesem Hintergrund klingen 3 Mrd. Euro für 2023 alles andere als ambitioniert, oder?
Johannes Laumann: Rein mathematisch und auf dem Papier ist da sicherlich noch Luft nach oben, aber bitte vergessen Sie nicht, dass gerade auf der Kaufseite die Jahre 2019 und 2020 extrem stark waren und der angegebene Umsatz 2023 konsolidiert zu betrachten ist. Ich glaube 2021 wird auch ein Jahr im Zeichen der Exits. Nichtsdestotrotz hätte ich natürlich nichts dagegen, wenn wir die Ziele von 2023 schon früher erreichen oder im Jahr 2023 übertreffen.
Zum Abschluss: 2020 war bisher ausgesprochen reich an Transaktionen, der Jahresschluss ist in Ihrer Branche traditionell sehr transaktionsstark. Wo sind Sie kauf- und verkaufsseitig noch dran, was spruchreif werden kann?
Johannes Laumann: Ich kann natürlich zu laufenden Transaktionen nichts sagen, kann aber versprechen, dass wir vor Jahresende noch das ein oder andere Mal von uns hören lassen werden.
Herr Laik, Herr Laumann, besten Dank für das Interview.
Chart: Mutares SE & Co. KGaA | Powered by GOYAX.de
Robin Laik | CEO der Mutares SE & Co. KGaA
Robin Laik, geboren 1972, ist Gründungsmitglied und seit dem 01.02.2008 CEO der Mutares.
Robin Laik begann seine berufliche Laufbahn bei der ELA Medical GmbH und der Porges GmbH (ehemals L’Oreal Group). Im Jahr 2004 wechselte er zur Bavaria Industries Group AG, wo er im Juli 2006 Mitglied des Vorstands wurde. Bis Juli 2007 war er dort als CFO tätig. Zuvor hielt er verschiedene Managementpositionen im Finanzbereich bei der ESCADA AG, unter anderem als Head of M&A der ESCADA-Gruppe.
Robin Laik studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg, die er 1995 mit einem Diplom abschloss.
Johannes Laumann | CIO
Johannes Laumann, geboren 1983, ist seit 2016 bei der Mutares. Im Mai 2019 wurde er zum Mitglied des Vorstands ernannt. Als Chief Investment Officer verantwortet er die Bereiche M&A und Investor Relations.
Vor seinem Eintritt in die Mutares SE & Co. KGaA hatte er verschiedene Managementpositionen bei der Ernst & Young GmbH, der Porsche Consulting GmbH und in der Oil & Gas Division von Atlas Copco inne.
Johannes Laumann studierte Wirtschaftsrecht und internationales Management an der Hochschule in Pforzheim und der Business School in Kopenhagen.