In unserem heutigen Interview konnten wir unsere Fragen an Rüdiger Andreas Günther, Vorstandsvorsitzender von Francotyp-Postalia (ISIN: DE000FPH9000), stellen.
Herr Günther, im vergangenen Geschäftsjahr konnte FP sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis wachsen. Wie bewerten Sie die Zahlen?
Unsere veröffentlichten Zahlen zeigen, dass sich unserer ACT-Strategie weiterhin auszahlt. Der Konzernumsatz erhöhte sich im Geschäftsjahr 2019 um 2,4 % auf 209,1 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) stieg um 92,6 % auf 33,3 Mio. Euro. Das sind Rekordergebnisse für FP – und all das gelang uns mitten in einem Transformationsprozess. Mit unserer Strategie ACT und dem wichtigen Projekt JUMP machen wir das Unternehmen weiter fit für die Zukunft. Starre Strukturen passen nicht zu einem dynamischen Wachstumsunternehmen. Deshalb werden wir flexibler und senken mit JUMP zugleich die Kosten. 2019 waren die wiederkehrenden Einsparungen erstmals genauso hoch wie die Aufwendungen. Und in den nächsten Jahren wird FP noch deutlich effizienter.
Wie lief es im Kerngeschäft und wie ist der Stand bei den digitalen Lösungen?
In unserem Kerngeschäft mit Frankiersystemen konnten wir 2019 um mehr als 5 % wachsen. Unsere beiden größten Wettbewerber mussten hingegen sowohl bei den Umsätzen als auch bei den Marktanteilen erneut deutliche Einbußen verbuchen. Unser weltweiter Marktanteil erhöhte sich 14 Quartale in Folge auf nunmehr 12,1 %. Und wir greifen in unserem Kerngeschäft weiter an und entwickeln unsere Produkte weiter. Damit sichern wir uns hohe wiederkehrende Umsätze und einen starken Cash Flow. Nur so können wir in neue digitale Projekte investieren. Digitale und sichere Kommunikation wird immer wichtiger. Hier werden wir in Zukunft definitiv noch stärker angreifen, denn wir sehen großes Potenzial bei digitalen Signaturen und im Internet of Things-Bereich (IoT).
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Sie werden aber für 2019 keine Dividende ausschütten. Was sind die Gründe dafür?
Angesichts der Corona-Pandemie sehen wir es als zentrale Aufgabe, die Liquidität des Unternehmens zu schonen, und schlagen der Hauptversammlung vor, dass der FP-Konzern dieses Jahr keine Dividende ausschüttet. Wir befinden uns damit in guter Gesellschaft mit einer Vielzahl börsengelisteter Konzerne. Ich konnte dazu von unseren Investoren und Analysten kein Wort der Kritik vernehmen. In der aktuellen Lage richten wir den Fokus auf die Sicherstellung und den Ausbau der vorhandenen Konzernliquidität. Dem FP-Konzern stehen vorhandene liquide Mittel sowie Kreditlinien von bis zu 200 Mio. Euro zur Verfügung, die nur in geringem Umfang in Anspruch genommen sind. Damit sind wir gut gerüstet, um die Corona-Krise zu bewältigen.
Wie sieht Ihre Prognose für das laufende Jahr aus und wie hart ist FP von der Corona-Krise betroffen?
Es ist derzeit leider noch nicht absehbar, wie lange wir uns in dieser herausfordernden Phase befinden. Mit Blick auf unser Unternehmen lässt sich aber sagen, dass wir über ein sehr robustes Geschäftsmodell verfügen. Trotzdem spüren wir natürlich eine Kaufzurückhaltung bei den Kunden. Unser Geschäftsmodell fußt jedoch auf einem hohen Anteil wiederkehrender Erträge. Unsere Kundenbeziehungen bestehen meist seit vielen Jahren. Daher sind wir optimistisch, sicher durch diese Krise zu kommen. Neben Kurzarbeit haben wir Working Capital-Optimierungen eingeleitet. Wir haben zudem ein umfassendes Hygienekonzept für unseren Konzern erstellt. Es zahlt sich aus, dass wir unsere Frankiersysteme ausschließlich in Deutschland produzieren. Wir sind also voll lieferfähig, und unsere Lieferketten sind von der weltweiten Krise nur wenig betroffen.
Die Krise zeigt zudem, dass wir mit unserer Digitalstrategie auf dem richtigen Weg sind. Viele Unternehmen erleben nun, wie gut Homeoffice und digitale Zusammenarbeit funktionieren. Dafür benötigt man jedoch sichere Technologien. Unsere Signaturlösungen oder unsere FP Secure Gateways werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Hier können wir mit unserer Erfahrung punkten. Das alles wird sich langfristig positiv auf unseren Konzern und die Zahlen auswirken. Für 2020 gehen wir jedoch aufgrund der Corona-Pandemie von einem deutlichen Rückgang bei Umsatz, EBITDA und bereinigtem Free Cashflow gegenüber dem Vorjahr aus. Ursprünglich hatten wir einen Umsatzanstieg von 5 bis 8 % und ein EBITDA in der Größenordnung von 30 bis 34 Mio. Euro geplant.
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Einige Anteilseigner sind dennoch unzufrieden. Wie sehen Sie die Kritik?
Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2019 haben überzeugt. Aber natürlich hätte der Umsatz höher sein können – dennoch haben wir die Prognose für alle Zielgrößen erreicht bzw. sogar übertroffen – und wir haben unseren Marktanteil im Kerngeschäft erneut ausgebaut. Innerhalb eines Jahres haben wir so viele neue Produkte gelauncht wie nie zuvor bei FP – digitale, hybride und traditionelle Produkte.
Kritik nehmen wir immer gerne an. Wir legen großen Wert auf den Austausch mit allen unseren Anteilseignern und sind jederzeit auch für Verbesserungen offen. Wir sehen uns allen Aktionären verpflichtet und werden die ACT-Strategie weiterhin konsequent umsetzen. Und ich persönlich kann nur sagen, dass ich 2016 mit der Mission angetreten bin, FP dabei zu begleiten, sich zu einem dynamischen Wachstumsunternehmen zu entwickeln. Und das, ohne unsere Kernkompetenzen zu vernachlässigen. Wir sind sehr gut unterwegs, das zeigen die jüngsten Zahlen. Und für mich als Sportler ist es selbstverständlich, diesen kompletten Transformationsprozess zu begleiten – auch durch schwierige Phasen. Nach der ersten Runde aufgeben, wo wir uns doch gerade warmlaufen, ist für mich keine Option.
Wir bedanken uns recht herzlich bei Ihnen und wünschen Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.
Rüdiger Andreas Günther | Vorstandsvorsitzender von Francotyp-Postalia
Jahrgang 1958. Nach einer Banklehre und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Göttingen und North Carolina at Chapel Hill/USA begann Günther seine Laufbahn 1985 bei der heutigen Bank of America in Chicago/USA. Mit den dabei gesammelten Erfahrungen übernahm er den Finanzbereich bei der Metro AG und initiierte die Expansion des Unternehmens vom Groß- in den Einzelhandel. 1993 wechselte er zu der Claas KGaA. Während seiner 13 Jahre als Finanzvorstand und CEO entwickelte sich Claas von einem kleineren mittelständischen Maschinenbauer zu Europas größtem Landmaschinenhersteller mit mehreren Milliarden Umsatz und globaler Präsenz. Nach Vorstandspositionen bei Infineon und Arcandor wechselte Günther 2012 zur Jenoptik AG und richtete das Unternehmen zu einem heute führenden internationalen Hightech-Unternehmen mit entsprechender Börsenkursentwicklung aus. Günther ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Kurzinfo zum Unternehmen
Der international agierende börsennotierte FP-Konzern mit Hauptsitz in Berlin ist Experte für sicheres Mail-Business und sichere digitale Kommunikationsprozesse (FP = „Sichere digitale Kommunikation“). Als Marktführer in Deutschland und Österreich bietet der FP-Konzern mit den Produktbereichen „Software/Digital“, „Frankieren und Kuvertieren“ sowie „Mail Services“ digitale Lösungen für Unternehmen und Behörden sowie Produkte und Dienstleistungen zur effizienten Postverarbeitung und Konsolidierung von Geschäftspost. Der Konzern erzielte 2019 einen Umsatz von rund 210 Mio. Euro. FP ist in zehn Ländern mit eigenen Tochtergesellschaften und über ein eigenes Händlernetz in 40 weiteren Ländern vertreten. Aus seiner mehr als 97-jährigen Unternehmensgeschichte heraus verfügt FP über eine einzigartige DNA in den Bereichen Aktorik, Sensorik, Kryptografie und Konnektivität. Bei Frankiersystemen hat FP einen weltweiten Marktanteil von zwölf Prozent und verfügt im Digitalbereich über einzigartige, hochsichere Lösungen für das Internet der Dinge (IoT/IIoT)) sowie für digitale Signaturen von Dokumenten.