Nach dem „Aussetzer“ am letzten Wochenende gibt es in dieser Woche wieder meine Klookschietereien.
Und man kann feststellen, dass die „politischen Börsen“ zurück sind, nachdem Donaldissimo zunächst den US-China-Handelskrieg zugespitzt hat, mit Börsenturbulenzen im Gefolge, um wenig später wieder etwas zurückzurudern. Die – nicht ganz so starke – Erhöhung an den Weltbörsen zeigt, wie psychisch instabil die Märkte sind, und was ein Egomane an der Spitze einer Weltmacht anrichten kann.
Daneben läuft die „Earnings Season“ in den USA weiter und in Deutschland nimmt die Dividendensaison Fahrt auf. Mit entsprechenden deutlicheren Kursschwankungen bei den betroffenen Werten. Und auch wenn Quartalsergebnisse kein Maßstab für langfristig orientierte Anleger sind, prägen sie doch auf kurze Sicht den Kursverlauf einer Aktie. Und das bietet Chancen und Risiken…
Börsentheater, 1. Akt: Die Politik
Erst hatte sich „The Don“ Iran und Venezuela vorgenommen, was dem Ölpreis mächtig Auftrieb gegeben hat, dann wandte er sich wieder seinem Lieblingsfeindbild China zu. Die USA erklärten, die Chinesen würden falsch spielen bei den Handelsgesprächen und erhöhte daraufhin kurzerhand die Strafzölle gegen chinesische Importe. Die Chinesen reagierten mit entsprechenden Gegenmaßnahmen, aber da sie viel weniger aus den USA importieren als umgekehrt, herrscht hier offensichtlich keine Waffengleichheit. Auf der anderen Seite hat China so viele US-Bonds verkauft wie noch niemals zuvor in der Geschichte – immerhin ist China der größte Gläubiger der USA. Und das könnte sich für die Amis noch zu einem erheblichen Problem auswirken auf lange Sicht.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
Investorenlegende Ken Fisher sieht in der aktuellen politischen Lage eher Chancen. Er verweist darauf, dass er schon Ende letzten Jahres erklärt hatte, dass Donald Trump und die US-Politik sich zunehmend gegenseitig selbst lähmen würden und dass dies positiv zu werten sei aus Sicht der Unternehmen und der Börse. Die starke Börsenerholung seit Jahresbeginn könnte ihm durchaus recht geben. Politischer Stillstand erzeugt weniger dumme politische Entscheidungen, so seine Überlegung. Und je weniger dumme Entscheidungen es gibt, desto besser für die Unternehmen, die von weniger Unsicherheit betroffen sind und sich umso besser um ihre Geschäfte kümmern können.
Eine Sicht, die durchaus etwas für sich hat. Nicht nur, weil er Europas Börsen nach der Europawahl ein starkes zweites Halbjahr voraussagt. Denn bei dieser Europawahl zeichnet sich ein Erstarken der radikalen Ränder ab, der Populisten. Ohne, dass diese wirklich an Einfluss gewinnen würden, da sie nicht koalitionsfähig seien; aber die sonstigen Parteien der breiten Mitte hätten weniger Aussichten, eine stabile, dauerhafte Mehrheit hinzu bekommen – und damit würde auch im EU-Parlament mehr Stillstand einziehen mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Unternehmen in der EU. Also, hoffen wir das Beste…
Börsentheater, 2. Akt: Die Unternehmen
Zuletzt gab es einige interessante Meldungen zu Unternehmen auf meiner Beobachtungsliste und ich habe (deshalb) dort in der letzten Woche auch die eine oder andere Disposition vorgenommen.
Arista Networks / Cisco Systems
Cisco Systems hat Zahlen vorgelegt und die Erwartungen quasi pulverisiert. Der schon totgesagte Dow Jones-Wert konnte in seinem dritten 2019er Geschäftsquartal (bis 27. April) das sechste Mal in Folge seinen Umsatz steigern, der gegenüber dem Vorjahresquartal um 6% auf 12,96 Mrd. Dollar zulegte. Die Erwartungen der Analysten wurde hiermit übertroffen und das ebenfalls beim Gewinn je Aktie, der bei 0,78 Dollar durchs Ziel ging.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Erfreulich – und mindestens ebenso erstaunlich – ist, dass die Kernsparte Netzwerk-Infrastruktur um 5% zulegen konnte. Das Segment der Router und Switches gilt eigentlich als Auslaufmodell, weil Konkurrenten (wie Arista Networks) hier mit softwarebasierten Lösungen immer größere Erfolge feiern und Cisco diesem Trend etwas hinterherhechelt. Cisco ist in meinem Depot ja hoch gewichtet, weil man auch zu den großen Gewinnern der neuen Mobilfunkgeneration 5G gehören wird, doch gleichzeitig habe ich auch Arista Networks im Portfolio. Denn die sind besonders stark im Bereich der Cloud-Infrastruktur und zählen hier die global Leaders AWS (Amazon), Azure (Microsoft) und Google (Alphabet) zu ihren Kunden.
Doch bei Arista gab es zuletzt einen heftigen Kurseinbruch. Nachdem man wieder einmal Rekordergebnisse präsentieren konnte, sprach man für das zweite Quartal eine Umsatz- und Gewinnwarnung aus. Ein großer Kunde aus dem Cloudbereich hat nämlich Anfang April seine Investitionen hier deutlich zurückgefahren und Arista hat das sofort in seiner neuen Guidance berücksichtigt. Obwohl dies auch nur ein vorübergehendes „Problem“ sein könnte, und das auf 17% reduzierte prognostizierte Umsatzwachstum noch immer beeindruckend ist. Zumal Cloud-Computing ein absulter Megatrend ist mit weiterhin enormen Wachstumsraten (Weltmarktführer AWS liegt bei knapp über 40% Wachstum und Microsofts Azure bei über 70% – pro Jahr, wohlgemerkt!). Wer es genauer analysiert haben möchte, wird bei Stefan Waldhauser fündig (in dessen High-Tech-Wiki sich Arista auch befindet). Er hat, wie ich auch, den Kurssturz zum Aufstocken seiner Arista-Position genutzt.
Aumann / MBB
Aumann hat Zahlen für das erste Quartal 2019 präsentiert und nachdem man 2018 mit Rekordwerten abgeschlossen hatte, zeigen sich nun deutlichere Bremsspuren, die auf die Krise im Automobilsektor zurückzuführen sind. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) ging im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 1,6% auf rund 6,9 Mio. Euro zurück und unter dem Strich blieben mit 4,7 Mio. Euro knapp 3% weniger übrig als ein Jahr zuvor. Das ist jetzt nicht dramatisch, aber es scheint leider erst der Anfang der Entwicklung zu sein. Beim Umsatz konnte Aumann deutlich um 6,6% auf 67,4 Mio. zulegen. Euro an und das liegt an der Zukunftssparte E-Mobilität, die um mehr als ein Drittel ggü. dem Vorjahresquartal anzog und inzwischen auf einen Anteil an den Erlösen von rund 40% kommt. Und ich bin bisher davon ausgegangen, dass die Stärke im Bereich E-Mobilität die Schwäche in der klassischen Sparte weitgehend kompensieren könnte. Doch danach sieht es nicht (mehr) aus, der Abschwung gewinnt deutlich an Fahrt. Und dies zeigt sich bei den Auftragseingängen, also den „Umsätzen von morgen“. Konzernweit ging der Auftragsbestand um rund 16% zurück, der Auftragseingang brach sogar um 42% ein. Da springen alle Alarmsignale auf Feuerrot um, auch wenn das Management weiterhin davon ausgeht, die Umsatzerlöse und den operative Gewinn im laufenden Jahr „leicht“ steigern zu können. Diese Prognose wirkt aufgrund des Einbruchs bei den Auftragseingängen zunehmend ambitioniert, denn es ist überhaupt nicht absehbar, wann (und ob überhaupt) sich der Automobilsektor aus seiner Schockstarre erholt und durchstartet. Das kann auch noch einige Quartale so weitergehen mit dem Niedergang.{loadmodule mod_custom,Sentifi Text Widget}
Aufgrund der sehr guten Cash-Ausstattung und wegen des ebenfalls auf Cash gebetteten Großaktionärs MBB (38% Anteil an Aumann) dürfte Aumann eher zu den Gewinnern der Krise gehören. Am Ende. Denn man wird vermutlich auch davon profitieren, dass einige Wettbewerber zwischenzeitlich die Grätsche machen werden, weil sie die ausbleibenden Aufträge, Umsätze und Gewinne nicht wegstecken können. Die Frage ist nur, wann der Automobilsektor sich wieder erholt. Und das kann ich momentan überhaupt nicht abschätzen und habe daher bei Aumann die Reißleine gezogen. Nach einer zwischenzeitlichen Kursverdopplung nach dem IPO vor zwei Jahren ergab der Rauswurf am Mittwoch satte 42% Prozent Verlust. Eines meiner schlechtesten Investments. Und ich muss erkennen, dass ich zu lange an Aumann festgehalten habe, obwohl ich der Automobil- und Zulieferbranche seit mehr als einem halben Jahr äußerst skeptisch gegenüberstehe und bei sämtlichen weiteren Werten aus diesem Sektor längst (die richtigen) Konsequenzen gezogen hatte. Bei Aumann jedoch, auch wegen des Großaktionärs MBB im Hintergrund, habe ich dies nicht getan. Und dafür die Quittung bekommen. „Verliebe Dich nie in eine Aktie“, mahnt Peter Lynch. Soweit war es bei mir und Aumann nicht, aber die dieser Aussage zugrundeliegende „Betriebsblindheit“ kann ich wohl nicht leugnen. =(
Um direkt im Anschluss herauszuhauen, dass ich MBB weiterhin die Treue halte. MBB hält 38% an Aumann und konsolidiert das Unternehmen voll in seiner eigenen Bilanz. Daher treffen operative Misserfolge bei Aumann die MBB auch direkt, nicht nur bei einer SOTP- bzw. NAV-Betrachtung. Dabei hat MBB durch das IPO und die bei deutlich höheren Kursen erfolgten zwischenzeitlichen Paketverkäufe seine Aumann-Investition bereits mehrfach wieder eingespielt. Insofern schmerzt MBB der Kursverlust nicht ganz so sehr. Und man hat seinerzeit bei der Tochter Delignit auch keine Panik bekommen, als deren Geschäft im Zuge der Finanzkrise total abstürzte, sondern man hat sie durch die Existenz bedrohliche Krise gelotst und anstelle des fast bis auf 1 Euro abgeschmierten Kurses werden inzwischen wieder Kurse von 7,50 Euro aufgerufen (es waren vor einem Jahr auch schon mal 12 Euro). Mir hatten die niedrigen Kurse knapp über 1 Euro eine aussichtsreiche Turnaround-Spekulation eingebracht, die sich bisher reichlich ausgezahlt hat…
Zwar würde ich aus heutiger Sicht MBB nicht mehr zu einem meiner Jahresfavoriten im Nebenwertebereich ausrufen, aber das Unternehmen bleibt auf mittlere und lange Sicht weiterhin aussichtsreich. Auch und insbesondere wegen des besonnen und clever agierenden Managements.
Fintech Group
Nach der gescheiterten Kooperation und dem missglückten Einstieg der österreichischen Post hat sich die Fintech Group auf ihre ursprünglichen Wurzeln besonnen und will wieder hauptsächlich als Discount-Broker (Flatex) die europäische Expansion vorantreiben. Ich habe mir das jetzt längere Zeit mit angesehen und halte das für keine überdurchschnittlich erfolgversprechende Perspektive. In den letzten Jahren gab es in Deutschland, dem Stammmarkt, ein Absinken der Anzahl bei den Depots und auch die in der Branche erzielten Gewinne haben sich nicht signifikant erhöht. Immer neue Anbieter drängen auf den Markt und der dadurch entstehende Preisdruck nimmt deutlich zu. Stagnierender Markt, mehr Wettbewerb, steigender Preisdruck – eigentlich muss man über die Aussichten fast nicht mehr viel sagen.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Affilinet)}
Oh doch, da gibt es ja noch das Zauberwort „Regulierung“. Es zeichnet sich eine Transaktionssteuer ab, die leider nicht den Hochfrequenzhandel treffen wird, sondern vor allem die Aktienbesitzer. „Echt dämlich“ ist noch die neutralste Formulierung, die mir hier für Bundesfinanzminister Olaf Scholz und den Rest seiner schwarz-roten Regierungsgurkentrupp einfällt. Aber von Scholz haben Aktionäre auch nichts Sinnvolles zu erwarten: schließlich legt der sein Geld ausschließlich auf dem Sparbuch an. Voll der Pfosten, ihr versteht was ich meine…
Kurz gesagt: Broker und auch die Fintech Group dürften trotz der volatilen Börsenzeiten eher nicht die großen Gewinner von morgen sein. Und diese Erkenntnis im Zusammenspiel zu den geplatzten vorherigen Plänen im White-Label-Banking-Bereich haben mich veranlasst, den Wert von meiner Beobachtungsliste zu streichen. Unterm Strich blieben nach knapp anderthalb Jahren magere 9% übrig. Nicht wirklich der Burner…
IAC InterActiveCorp. / Match Group
Bei der IAC InterActiveCorp. läuft alles prima und daher dürfte es verwundern, weshalb ich diesen relativ hoch gewichteten Wert aus meinem Depot gekickt habe und von der Beobachtungsliste streiche – ach knapp einem halben Jahr und mit 23% Rendite. Obwohl ich von dem Unternehmen weiterhin überzeugt und nur aus einem einzigen Grund ausgestiegen bin.
Denn eigentlich habe ich „nur“ umgesattelt. Die mit Abstand größte und erfolgreichste Beteiligung der IAC ist die Match Group. Hinzu kommen Venmo und ANGI Housservices und im Rahmen meiner Analyse zur IAC und deren Geschäftszahlen schaue ich mir natürlich auch immer die Entwicklung bei den Töchtern mit an. Zuletzt haben die wieder Zahlen vorgelegt und ich habe vor anderthalb Wochen einen weiteren Portfoliocheck verfasst: „Portfoliocheck: Value Investor Frank Sands heißester Flirt ist die Match Group“. Ich hatte ihn am Donnerstagnachmittag eingereicht, aber wegen einer Seminarveranstaltung von Traderfox wurde er erst am Montagmittag auf aktien-mag.de veröffentlicht. Doch in der Zwischenzeit arbeitete es in mir und über das Wochenende bin ich zu einem Entschluss gelangt. Die Match Group ist der Haupttreiber hinter dem Erfolg der IAC und ihr Erfolg der eigentliche Grund für meinen Einstieg bei der Beteiligungsgesellschaft. Venmo und auch ANGI Homeservices halte ich ebenfalls für aussichtsreich, aber nicht so sehr wie die Match Group. Was mich zu der Frage führte, weshalb ich mir den Erfolg der Match Group „verwässern“ lassen sollte, indem ich bei IAC engagiert bin und nicht bei der Match Group direkt. Zumal ja die IAC auch noch ihren eigenen Overhead finanzieren muss. Tja, was soll ich sagen, ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass ich direkt in die Match Group investieren sollte. Und konsequenterweise habe ich gleich am Montagmorgen umdisponiert und meine IAC-Aktien in Match Group-Aktien getauscht. Und ich vollziehe diesen Schwenk auch auf der Beobachtungsliste nach.
Klarer Fehler von mir: ich hätte auch vor einem halben Jahr schon zu dieser Erkenntnis gelangen und gleich direkt in die Match Group investieren können. Jetzt sieht das nach kurzfristigem Trading aus. Diese Kritik ist nicht unberechtigt und ich kann nicht widersprechen. Habe ich schon die sehr beliebte Rubrik „Kissigs Kunstfehler“ erwähnt…? ツ{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Nynmoic
Nynomic hat sich prächtig entwickelt, das (nicht mehr ganz) neue Vorstandsteam Müller/Peters macht bei der ehemaligen m-u-t AG einen tollen Job. Ich habe den Turnaround nicht von Anfang an begleitet, sondern bin erst später eingestiegen, obwohl (oder gerade weil) das Unternehmen nur einen Steinwurf entfernt von meinem Büro ist und ich den Gründer und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Wörmcke persönlich kenne („Kennen“ im weiteren Sinne: wir sind uns in den letzten zehn Jahren ab und zu mal über den Weg gelaufen und haben einige Worte miteinander gewechselt).
Nynomic ist gut positioniert und hat mit dem Zukauf in Skandinavien ein weiteres interessantes Tor aufgestoßen. Mittel- und langfristig. Das Unternehmen hat die Ziele bestätigt und löst auf den ersten Blick seine Prognosen ein. Allerdings trübt sich der Ausblick ebenfalls für Nynomic ein und man wird von Konjunkturabschwächung und Handelskriegen nicht verschont bleiben. Und der verhaltene Ausblick sowie die „bilanzielle Klaviatur“, die zuletzt gespielt wurde, deuten auf ein sich merklich verschlechterndes Chance-Risiko-Verhältnis hin. Bisher gehe ich nicht davon aus, dass Nynomic im weiteren Jahresverlauf eine Umsatz und Gewinnwarnung aussprechen muss, aber ich halte das auch nicht mehr für ausgeschlossen. Ich habe mich daher entschieden, lieber meine Gewinne einzustreichen und die Entwicklung zu beobachten. Nach knapp anderthalb Jahren bleiben rund 33% in den Büchern, womit ich sehr zufrieden bin.
Rocket Internet / Hello Fresh / Westwing (und ein bisschen Softbank Group)
Die Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet ist weiter auf Exit-Kurs bei früheren Beteiligungen. Nach dem erfolgreichen IPO von Jumia hat man sich nun von seinen sämtlichen restlichen Hello Fresh-Aktien getrennt und reduzierte seinen Westwing-Bestand um mehr als die Hälfte auf nun noch 9,5% der Anteile. Rocket Internet flossen hierdurch weitere mehr als 350 Mio. Euro zu (alleine aus dem HF-Exit) und es drängen sich immer lauter zwei Fragestellungen auf: weshalb verkauft Rocket Internet zu beinahe jedem Kurs seine Beteiligungen und was will Oliver Samwer mit dem enormen Cash-Bestand anfangen, der nun bei über 2,5 Mrd. Euro liegt und sich zügig Richtung 3 Mrd. Euro entwickelt?
Genau diese Frage treibt auch die Berenberg Bank um, die ihr Kursziel deutlich von bisher 53 auf 30 Euro gesenkt hat. Aber das kann man nicht wirklich ernst nehmen. Berenberg hat Jahre lang die IPOs von Rocket Internet und deren Töchter begleitet und sich dabei eine goldene Nase verdient. Die Kurse der meisten „Empfehlungen“ sind eher unter Wasser und das auch wegen der gnadenlosen Abverkäufe durch Rocket Internet selbst. Des Weiteren ist absehbar, dass es mit den Folgeaufträgen für Berenberg künftig tendenziell eher mauer aussehen wird, und daher kann man es durchaus so sehen, dass Berenberg zuvor ein utopisch hohes „Gefälligkeitskursziel“ in die Welt geblasen hat, während man sich nun wie ein verschmähtes, rachsüchtiges Liebchen schmollend in die Ecke verzieht. Das „Argument“, Rocket Internet würde nichts mit dem ganzen Geld anzufangen wissen und es könnte/würde nun auf ein Delisting hinauslaufen, bei dem dann schnöde 30 Euro und somit eine Prämie von 25% herauszuholen wären, sind jedoch aus meiner Sicht eher an den Haaren herbeigezogen und als ziemlich durchschaubar abzuhaken. Oder als nicht ernst zu nehmen…
Delisting ante portas?
Der NAV je Rocket-Aktie liegt bei über 30 Euro, der Kurs bei etwa 22 Euro. Großaktionär von Rocket Internet ist Oliver Samwer und Rocket verfügt über so viel Cash, dass es sich seine eigene Übernahme locker leisten könnte. Und Oli Samwer würde wieder mal einen fetten Schnitt machen. Schließlich war Rocket Internet im Oktober 2014 zu 42,50 Euro an die Börse gegangen, wobei auch Oli Samwer erheblich Aktien abgegeben hatte. Rein finanziell würde es für ihn also Sinn machen, Rocket Internet jetzt vergleichsweise preiswert von der Börse zu nehmen.
Auf der anderen Seite sprechen zwei Dinge gegen ein Delisting. Er würde sich eine Finanzierungsmöglichkeit nehmen und einen Ruf als „Abzocker“ verdienen, der Aktionären teuer Aktien andreht, um sie später billig wieder einzusammeln. Kein Ruf, den man in der Startup- und Unternehmerszene braucht. Und dann ist da noch sein Ego und seine Vision. Ich glaube nämlich, dass Oli Samwer ganz andere Pläne hat, als nur (möglichst viel) Geld zu verdienen. Wie ich schon früher erwähnt habe, sehe ich eher auf den Spuren von Son (Softbank) wandeln. Rocket Internet hat bereits themenspezifische Venture Capital-Fonds am Start und wird weitere platzieren, jeweils mit Eigenkapitalanteilen von Rocket Internet und erheblichem Kapitalzufluss von externen Investoren. Damit schafft sich Samwer einen Hebel für deutlich größere Investments und er verstetigt Rocket Internets eigenen Cashflow und damit die Gewinne, denn Rocket erhält als Asset Manager der Fonds Provisionen und Gebühren. Das Geschäftsmodell macht Softbanks Son zu einem der erfolgreichsten Investoren und einem der reichsten Männer Asiens und der Welt. Keine Fußstapfen, die für Oliver Samwer zu klein sind. Aber auch nicht zu groß, aus seiner Sicht…
Um das nötigen Eigenkapital für die Fonds-Gründungen zusammen zu bekommen, verkauft Samwer die „alten“ Beteiligungen von Rocket Internet. Klar ist, dass er die Altbeteiligungen besser in der aktuell noch anhaltenden Hausse zu Geld machen kann, als wenn die Börsenkurse crashen, während er neue Investments auch sehr gut in schwierigen Börsenphasen eingehen kann. Ob Oliver Samwer darüber hinaus oder alternativ am Einstieg in ein oder mehrere sehr große Startups bastelt („Flixbus“ ist hier ab und zu mal zu vernehmen), ist auch eine Überlegung wert – wir werden es irgendwann erfahren.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Meine Einschätzung Oliwer Samwer baut sich gerade seine neue Rocket Internet zusammen und es geht ihm nicht darum, möglichst schnell Geld damit zu verdienen. Dem entsprechend stufe ich ein Delisting nicht mit einer allzu hohen Wahrscheinlichkeit ein. Ich sehe Son als sein Vorbild an. Und der hat mal etwas sehr bemerkenswertes (und amüsantes) gesagt: „Ich war mal der zweitreichste Mensch der Welt. Dann verlor ich 70 Milliarden Dollar“. Genau, seine Softbank war schon einmal ein Highflyer und der Chart sah aus wie ein Raketenstart auf Speed. Damals, vor dem Platzen der Internetblase im Frühjahr 2000. Und was tat Son damals? Kaufte er die eigenen Aktien zurück und nahm Softbank von der Börse? Nein, er kümmerte sich nicht um den Kurs, sondern um seine Vision. Er passte sein Unternehmen an die neuen Gegebenheiten an und baute sein Imperium immer weiter aus. Er ist Unternehmer, nicht Anleger, nicht Spekulant. Ein Entrepreneur alter Prägung. Und Oliver Samwer strebt ihm nach.
ERGÄNZUNG vom 20.05.2019, 10:37
Eben meldete die Westwing Group AG, dass der Stimmrechtsanteil von Rocket Internet nunmehr auf 0,38% gesunken ist. Damit ist Rocket Internet nun auch bei Westwing komplett ausgestiegen.
Lesen Sie den ganzen Artikel von Gastautor Michael C. Kissig zu „Kissigs Klookschieterei: Die Börsenwoche 20/2019 im Rückspiegel mit Arista, Aumann, Cisco, Fintech Group, Hello Fresh, IAC InterActiveCorp., Match Group, MBB, Nynomic, Rocket Internet, SBF, Teva Pharmaceuticals“ jetzt auf www.intelligent-investieren.net weiter.
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