Interview | Lukas Spang: „Das Interview war mir zu „weich““

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Herr Spang Sie begleiten nun schon seit einiger Zeit das nwm durchaus kritisch auf Twitter. In diesem Zusammenhang kamen wir auch auf das Mutares-Interview zu sprechen.

Bevor wir damit fortfahren, sagen Sie bitte etwas zu Ihrer Person und wie intensiv Sie das Börsengeschehen verfolgen?

Zunächst vielen Dank für die Möglichkeit zu diesem Interview. Gerne stelle ich mich kurz vor. Mein Name ist Lukas Spang, ich bin 27 Jahre alt und inzwischen seit über 6 Jahren auf der Social Trading Plattform wikifolio als „Junolyst“ aktiv. Dort verwalte ich zwei auf Small & Micro Caps aus dem deutschsprachigen Raum fokussierte Portfolios, wobei in den zugehörigen Zertifikaten aktuell rund 3,5 Mio. € investiert sind. Dazu habe ich in diesem Sommer meinen Masterabschluss in Business Management gemacht und befinde mich derzeit in der weiteren Lebensplanung. Da ich seit 2013 den Markt der Nebenwerte begleite, verfolge ich das tägliche Börsengeschehen generell und vor allem in diesem Segment sehr genau. Dennoch entfällt der Großteil der Zeit auf die Hintergrundarbeit, d.h. Berichte lesen, Präsentationen anschauen, an Telefonkonferenzen teilnehmen, Einzelgespräche mit Unternehmen führen, auf Investorenkonferenzen oder Kapitalmarkttage gehen und die eigenen Excel Modelle pflegen.

Jetzt aber kurz zurück auf Mutares – Das Interview war Ihnen zu“weich“, Sie vermissten wohl Fragen zum – bis jetzt desaströsen – Teilbörsengang der Beteiligung STS?

Sicher wäre dies ein berechtigtes Thema gewesen, da die Aktienkursentwicklung der STS Group AG (ISIN: DE000A1TNU68) seit dem IPO im Sommer vergangenen Jahres maßgeblich für den Kursrückgang bei der Mutares Aktie verantwortlich ist. Die Aussagen des Vorstands, dass die beiden Beteiligungen Donges und Balcke Dürr in Bezug auf den Net Asset Value (NAV) die beiden wichtigsten Tochtergesellschaften sind, zeigt jedoch, wie stark die Bedeutung der STS für Mutares abgenommen hat. Der NAV-Wert, der auf die STS Beteiligung entfällt, hat sich innerhalb eines Jahres von rund 84 Mio. € auf zuletzt knapp 18 Mio. € (gesamter NAV 196,1 Mio. €) reduziert. Als Aufsichtsratsvorsitzender der STS hat Herr Laik die Entwicklung allerdings auch maßgeblich mit zu verantworten.
Unabhängig vom STS Thema befürworte ich generell eine kritische Betrachtung bei Unternehmen, insbesondere wenn die Person des Großaktionärs und des Vorstands identisch ist. So wurde beispielsweise auf der diesjährigen Hauptversammlung die Umwandlung von einer AG in eine SE & Co. KGaA beschlossen, wobei der Großaktionär wiederum maßgeblich an der persönlich haftenden Gesellschafterin, der Komplementärin, beteiligt ist. Zwar erhalten Aktionäre wie bisher weiterhin eine Dividende, ein Mitspracherecht besteht jedoch zukünftig nicht mehr.
Das Geschäftsmodell der Mutares, defizitäre Gesellschaften zu kaufen, zu restrukturieren und zu einem idealerweise höheren Unternehmenswert zu verkaufen, birgt zudem auch trotz des erfolgreichen Track Records der vergangenen Jahre ein entsprechendes Risiko. Auch in der Vergangenheit konnte nicht jede Gesellschaft im Portfolio erfolgreich entwickelt werden, wie sich beispielsweise im vergangenen Jahr bei der Zanders GmbH gezeigt hat.
Letztlich ist auch die Vorstandsvergütung meines Erachtens ein kritisches Thema bei Mutares. Gerade bei Unternehmen, in denen der Großaktionär zugleich im Vorstand ist, sollte man einen genauen Blick darauf werfen, welches Gehalt sich der Vorstand „genehmigt“. Mit einer Gesamtvergütung von 5,0 Mio. € entspricht dies immerhin rund 25% des gesamten Jahresergebnisses in der Einzelbilanz.

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Jedenfalls kamen Sie dann zu dem Schluss, es gäbe viel interessantere Aktien als die Mutares AG? An welchen Wert denken Sie beispielsweise und warum?

In der Tat. Ganz aktuell denke ich hier beispielsweise an die SNP SE (ISIN: DE0007203705), die sich in den kommenden Jahren vom kleinen Software- und Beratungsunternehmen zu einer bedeutenden Software Company entwickeln dürfte. Hintergrund dessen ist die anstehende Migrationswelle bei SAP S/4Hana, die bis 2025 erfolgen wird. SNP hat mit einer eigenen Software und dem Bluefield-Ansatz (klassische Verfahren sind Brownfield und Greenfield) ein Tool entwickelt, welches die Umstellung auf S/4Hana deutlich effizienter und schneller ermöglicht. Die S/4Hana „Welle“ nimmt jedoch jetzt erst langsam Fahrt auf und Marktexperten sprechen davon, dass lediglich 10% der relevanten Unternehmen bis dato den Wechsel gemacht haben. Mit einem neuen Vorstand und einem zukünftig starken Partneransatz sollten Umsatz und Ergebnis deutlich anziehen. Erste Effekte daraus konnte man bereits in den zuletzt veröffentlichten Q3-Zahlen erkennen.

Ich muss zugeben, eine Aktie, die wir wenig im Fokus hatten. Am 22.08. berichteten wir über einen Auftrag an die SNP im Volumen von 30 Mio. USD und kamen zu dem Schluß: „…und lässt einen zweiten Blick auf die Aktie sinnvoll erscheinen.“. Damals handelte die Aktie jedoch noch bei 27,00 EUR, nach einem Kurssprung von über 4,00 EUR auf diese Nachricht hin. Und jetzt bei 42,95 EUR, ist da nicht das Beste schon vorbei? Warum jetzt noch einsteigen? Wann sind Sie mit Ihrem wikifolios eingestiegen?

Das wäre zu kurz gedacht und ist zugleich wie ich finde ein großes Problem unter Anlegern. Denn die vergangene Kursentwicklung sollte immer mit Vorsicht genossen werden. Viel entscheidender ist doch die Frage, welche Zukunftsperspektiven das Unternehmen hat und in wie weit diese bereits heute im Aktienkurs eingepreist sind. Sicher hat die Aktie seit Jahresanfang eine sehr gute Entwicklung verzeichnet. Durch den Partnerschaftsansatz mit großen IT- und Beratungshäusern können sich die Umsätze und Gewinne in den kommenden Jahren aber sehr dynamisch entwickeln. Neben einer deutlichen Margensteigerung und hohen Kapitalrenditen wird das Unternehmen dann auch verstärkt als Softwareunternehmen wahrgenommen. Und diesen werden am Markt bekanntlich durchaus Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) von 20-30 zugesprochen.
Meine ersten Käufe liegen bereits über 2 Jahre zurück. Rückblickend also etwas zu früh. Jedoch hatte ich Anfang des Jahres nach einem Austausch mit dem neuen Finanzvorstand im Bereich von 17-18€ meine Position in etwa verdoppelt und liege nun rund 100% im Plus.

SNP spricht davon „schneller“ und „billiger“ als alle anderen die SAP-Migration durchzuführen. Wie kann man sich das – in einfachen Worten für den Nicht-Informatiker – vorstellen?

Der Schnelligkeitsaspekt ist sicher DER Vorteil gegenüber den anderen Ansätzen, die sich über mehrere Monate oder bei Großkonzernen auch Jahre erstrecken können. SNP selber spricht davon, dass der SNP Bluefield-Ansatz im Vergleich zu den konventionellen Verfahren über 80% schneller ist. Dazu konnte SNP bisher jedes Projekt erfolgreich abschließen und liegt damit ebenfalls erheblich über den Erfolgsraten der klassischen Ansätze. Natürlich bin ich selber auch kein IT-Experte, aber mit der Software von SNP ist es für die Unternehmen sehr einfach möglich, bestehende Daten im bisherigen ERP-System in die neue S/4 Hana Welt, oder auch bei anderen Themen wie Carve Outs, M&s oder Mergers in die neue IT-Landschaft zu migrieren. Der Vorteil überträgt sich somit auch auf die IT- und Beratungshäuser, die mit der SNP Software wiederum Projekte schneller und effizienter umsetzen und dadurch insgesamt mehr Migrationsprojekte durchführen können. Um den COO zu zitieren also eine „Win-Win-Win“ Situation.

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Wo sehen Sie denn in einem Jahr den Umsatz und den „Gewinn“ der SNP?

Ich glaube, dass sich der Umsatz 2020 durchaus auf 180 Mio. € (2019: 145-150 Mio. €) oder mehr erhöhen kann, wenn sich die Effekte aus den Partnerschaften zeigen. Das EBIT könnte dann durch den zunehmenden Softwareanteil auf 25-30 Mio. € steigen. Das würde einem Ergebnis je Aktie von >2,50€ entsprechen und folglich einem KGV von rund 17. Mit der Perspektive auf weiteres Wachstum in 2021ff für mich auf keinen Fall zu teuer.

Haben Sie ein weiteres Beispiel?

Ein weiteres Beispiel ist die Schaltbau Holding AG (ISIN: DE000A2NBTL2), die ihre Restrukturierung seit 2017 jüngst im dritten Quartal erfolgreich abschließen konnte. Damit kann sich der Vorstand nach zugleich erfolgreicher Refinanzierung auf das zukünftige Wachstum und die weitere Verbesserung der Profitabilität konzentrieren, um damit wieder EBIT-Margen aus der Vergangenheit (7-9%) zu erreichen. Zugleich befindet sich Schaltbau in verschiedenen interessanten Wachstumsmärkten, die in den kommenden Jahren zu einer kontinuierlichen Umsatzsteigerung führen sollten. So dürfte Schaltbau beispielsweise im Bereich Tür- und Zutrittssystemen an der sehr positiven Marktentwicklung durch eine steigende Nachfrage nach intelligenten Türsystemen, wie beispielsweise bei autonom fahrenden Fahrzeugen, profitieren. Mit einem Marktanteil von 30-35% in Europa bzw. 18-20% weltweit ist das Unternehmen hier bei einem erwarteten Marktwachstum von 10-15 % in den kommenden Jahren sehr gut positioniert. Auch im Bereich E-Mobilität, in dem die Tochtergesellschaft SBRS Schnellladestationen anbietet, will man durch den zunehmenden Anteil an E-Bussen im Nahverkehr wachsen. Auch die geplanten Investitionen der Deutschen Bahn i.H.v 156 Mrd. € bis 2030 dürften Schaltbau beispielsweise durch die Modernisierung von Zügen oder Investitionen in die Infrastrukturtechnik zu Gute kommen.

Schaltbau hat in diesem Jahr bereits eine schöne Performance hingelegt. Seit wann sind Sie denn mit Ihrem wikifolio dabei? Und auch hier die Frage: Ist der Kurs nicht schon „zu weit“ weg?

Stimmt. Auch die Schaltbau Aktie konnte in diesem Jahr bereits >50% an Wert gewinnen. Aber auch hier zählt für mich die Zukunftsperspektive und die ist m.E. aufgrund der zuvor beschriebenen Wachstumschancen vielversprechend. Zwar verfolge ich das Unternehmen bereits seit längerem, habe im wikifolio jedoch erst im Anschluss an die Q3-Zahlen Anfang des Monats begonnen eine Position aufzubauen.

Die Schaltbau kommt ja aus einem Tal der Tränen. Warum denken Sie, dass zukünftig solche Probleme nicht mehr auftreten werden?

Natürlich kann man insbesondere im Projektgeschäft nie sicher sein oder ausschließen, dass sich Probleme wiederholen. Dennoch hat der neue Vorstandsvorsitzende Herr Dr. Köhler in den vergangenen 2 Jahren einen sehr guten Job gemacht und Probleme wie beispielsweise in einem Projekt in Brasilien erfolgreich gelöst sowie defizitäre Tochtergesellschaften verkauft oder abgestoßen. Damit wurde eine solide Basis geschaffen, auf der nun aufgebaut werden kann.

Und wie sehen hier Ihre Erwartungen aus? Gehandelt wird die Aktie derzeit mit einem KGV von irgendetwas zwischen 14 und 16,3 für die 2021 Gewinne – man hat offensichtlich sehr unterschiedliche Gewinnerwartungen. Wo sehen Sie die Gewinne und so das potentielle KGV?

Das ist der Vorteil, wenn man sich selber tief in die Unternehmen einarbeitet sowie mit eigenen Schätzungen bzw. Bewertungsmodellen agiert und damit unabhängig von Analystenschätzungen ist. Der Konsens liegt bei der Aktie m.E. noch deutlich zu niedrig. Der Markt hat hier bislang nicht die Erfolge aus der Restrukturierung und die Potenziale für die kommenden Jahre erkannt. Auch in den ersten 9 Monaten 2019 konnte Schaltbau organisch um knapp 8% wachsen und die Profitabilität deutlich steigern. Das sollte sich weiter fortsetzen. Für 2021 erachte ich ein Ergebnis pro Aktie von 2,80€ für durchaus realistisch. Das wäre ein KGV von 11,5 und ist für mich wiederum nicht teuer.

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Wie haben Sie diesen potentiellen Gewinn hergeleitet? Es gibt ja diverse Annahmen, aber sie scheinen ja eine sehr optimistische zu vertreten. Für wie wahrscheinlich halten Sie Ihre Annahmen?

Aus meiner Zeit im Aktienresearch weiß ich, wie ich in der Unternehmensanalyse vorgehen muss, um ein Unternehmen bzw. eine Aktie zu bewerten. Folglich habe ich den Umsatz sowie die entsprechenden Aufwands- bzw. Ertragspositionen für die kommenden drei Jahre bis 2021 geschätzt, woraus das genannte Ergebnis je Aktie resultierte. Natürlich sind Annahmen immer mit Unsicherheiten versehen, aber davon lebt die Börse letztlich ja auch. Sicher ist jedoch, dass Nebenwerte wie die Schaltbau Aktie nur von wenigen Analysten und einer begrenzten Anzahl an Marktteilnehmern beobachtet wird und sich dadurch entsprechende Ineffizienzen ergeben können. Da ich aufgrund meiner eigenen Analyse fundamental deutlich höhere Kurse als gerechtfertigt erachte, sehe ich mich hier auch als einen „First Mover“. Aber lassen Sie uns gerne in sechs oder zwölf Monaten noch einmal auf den Kurs schauen.

Und was sollte man jetzt tun? Diese Werte beobachten, kaufen oder lieber in Ihr wikifolio investieren, risikostreuend beispielsweise? Sind die Werte in Ihrem wikifolio zu finden und mit welchem Anteil?

Natürlich ist es nicht mein primäres Ziel Einzelwerte zu empfehlen. Dennoch will ich damit mein Know-how und meine Expertise zu diesem Marktsegment sowie den darin enthaltenen Unternehmen aufzeigen, um Dritte davon zu überzeugen, in eines der wikifolio Zertifikate zu investieren. Mit welchem Volumen und welchem Anteil, muss dabei allerdings jeder für sich persönlich entscheiden. Die beiden besprochenen Werte sind z.B. in meinem wikifolios „Chancen suchen und finden“ mit knapp 10% bzw. über 4% gewichtet.

Herr Spang, vielen Dank für das Interview.

Lukas Spang

lukas spang

Lukas Spang beschäftigt sich bereits seit seiner Jugend mit dem Thema Börse und Aktien und machte erste Erfahrungen im Rahmen des Börsenspiels der Volksbanken. Später war er im Aktienresearch bei der GBC AG in Augsburg sowie dem Bankhaus Lampe in Düsseldorf tätig und konnte sich im Rahmen dessen wichtige Kenntnisse zur Unternehmensbewertung aneignen. Seit September 2013 ist er auf der Social Trading Plattform wikifolio unter dem Namen „Junolyst“ aktiv und verwaltet dort die beiden wikifolios „Chancen suchen und finden“  sowie „Top Pics of the Year“ . In den seit Februar 2014 und Februar 2016 emittierten wikifolio-Zertifikaten sind aktuell rund 3,5 Mio. € investiert.

Lukas Spang studierte Betriebswirtschaftslehre und Business Management an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg sowie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und schloss im Sommer 2019 erfolgreich sein Masterstudium ab.

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