Warum liest eigentlich keiner das 2018er Testat für die Wirecard AG (ISIN: DE0007472060) Konzernbilanz. Würde viele Spekualtionen erledigen und würde das Nicht-Testat in Singapur einordnen helfen.
Der Handelsblatt Artikel lässt vermuten, das erst jetzt die Probleme bei der Singapurtochter ins Licht gebracht würden und es wichtig wäre neue Ansätze zu verfolgen, aber: Wenn man sich das TESTAT für die Konzernbilanz der Wirecard AG für das Jahr 2018 betrachtet, scheint E&Y Deutschland bereits gerade und besonders die Vorgänge in Singapur geprüft zu haben – bestimmt auch wegen der Informationen der Kollegen von E&Y vor Ort, die schließlich das lokale Testat für die nach lokalem Standard erstellte 2017er Bilanz verweigerten. {loadmodule mod_custom,Sentifi Text Widget}
Testat Konzernbilanz 2018 Wirecard
„Auf Grundlage der in dem Konzernabschluss und dem Konzernlagebericht dargestellten Sachverhalte sowie der bisherigen Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen zur Aufklärung dieser Sachverhalte gibt es derzeit keine Bestätigung dafür, dass Korrekturen oder weitere Angaben im Konzernabschluss und Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2018 vorzunehmen wären. Die noch laufenden Ermittlungen der Behörden in Singapur können gegebenenfalls zukünftig Erkenntnisse über Sachverhalte hervorbringen, die Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz-und Ertragslage des Konzerns haben könnten und in der Rechnungslegung des Konzerns abzubilden wären.“ (Seite 219 Konzernprüfbericht Wirecard AG, Bestätigungsvermerk E&Y, )
Man hat also die Bedenken versucht zu verifizieren, man hat die Belege und Geschäftsvorfälle in Singapur besonders geprüft und keine Bedenken bei den daraus resultierenden Konzernzahlen. Und weiter (überspringen falls zu technisch zum Fazit):
„Die bisherigen Erkenntnisse sind in den Konzernabschlüssen zum 31. Dezember 2018 und 2017 und im Konzernlagebericht 2018 berücksichtigt worden(…) Nachfolgend beschreiben wir die aus unserer Sicht besonders wichtigen Prüfungssachverhalte: Bilanzielle Behandlung von Sachverhalten auf Grundlage der Erkenntnisse aus Untersuchungen, die aufgrund von Beschuldigungen eines Hinweisgebers in Singapur durchgeführt wurden Gründe für die Bestimmung als besonders wichtiger Prüfungssachverhalt: Gesellschaften des Wirecard Konzerns (insbesondere in Asien) waren Gegenstand von durch die Wirecard AG beauftragten Untersuchungen von externen Rechtsanwaltskanzleien bezüglich Vorwürfen eines Hinweisgebers. (…) Direkte und indirekte Auswirkungen der Erkenntnisse aus Untersuchungen, die aufgrund der Anschuldigungen durchgeführt wurden, betreffen insbesondere die Werthaltigkeit von immateriellen Vermögenwerten, die Existenz von Umsätzen sowie den Bestand an und die Werthaltigkeit von Forderungen. Die verschiedenen Anschuldigungen hatten einen detaillierten Aufklärungsbedarf über mehrere rechtliche Einheiten mit teilweise unterschiedlichen Buch-haltungssystemen zur Folge. Aufgrund der Bedeutung der möglichen Auswirkungen auf den Konzernabschluss sowie der Komplexität und des zeitlichen Umfangs der Aufklärungsarbeiten war dieser Sachverhalt im Rahmen unserer Prüfung einer der bedeutsamsten Sachverhalte. Prüferisches Vorgehen: (…) daraus gewonnenen Erkenntnisse haben wir mit den uns vorgelegten Ausarbeitungen unabhängiger Dritter sowie der internen Compliance Abteilung abgeglichen. Auf dieser Grundlage haben wir ausgeweitete Prüfungshandlungen zu ähnlichen Sachverhalten vorgenommen. Zudem haben wir Vorgänge sowie die getroffenen Einschätzungen zu Sachverhalten in Gesprächen mit Funktionsträgern der betroffenen Gesellschaften, Lieferanten, Kunden und einbezogenen Rechtsanwälten, auch unter Einbindung eigener forensischen Experten, gewürdigt. Aus unseren Prüfungshandlungen haben sich keine Einwendungen gegen die bilanzielle Behandlung von Sach-verhalten auf Grundlage der Erkenntnisse aus Untersuchungen, die aufgrund von Beschuldigungen eines Hinweisgebers in Singapur durchgeführt wurden, ergeben.“{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Fazit
E&Y hat Wirecards Geschäftseinheit in Singapur und die gemachten Vorwürfe als Prüfungsschwerpunkt umgesetzt, man hat mit externen Rechtsanwaltskanzleien, mit Kunden, Liefranten und forensischen Experten die Zahlen der Sinagapur-Einheit auf den Kopf gestellt und KEINE TESTATSVERWEIGERUNG FÜR DIE KONZERNBILANZ INS AUGE GEFASST. Und das in Kenntnis der lokalen E&Y Partner Bedenken. Also: Lokales Testat verweigert für E&Y Deutschland ohne Auswirkung, IFRS-Zahlen mehr als andere Bereiche des Konzerns auch extern überprüft und als beständig bewertet. Und nach „Keiner prüft mehr genau“-Häme die WP-Kollegen nebne dem Image und Kundenverlust bei einem wirklichen Bilanzbetrug einer anderen Gesellschaft einstecken mussten, sollten die Prüfer von E&Y durchaus sensibilisiert sein: Man hat mehr als einen guten Ruf zu verlieren.
Doppelstrategie
Das Handelsblatt fand heraus, das die -seinerzeit bereits im Mittelpunkt der FT -1 Affäre stehende – Singapurtochter für das Geschäftsjahr 2017 KEIN Testat der Wirtschaftsprüfer von E&Y erhalten hatte.Wiecard wählte gestern als Reaktion eine Doppelstrategie: Man erklärte einerseits, dass das Testat seinerzeit nicht erteilt werden konnte, da die meisten Belege/Unterlagen nicht verfügbar gewesen seien für die Prüfer aufgrund der durchgeführten Durchsuchungen und Unterlagenbeschlagnahmen aufgrund der Ermittlungen der Behörden in Singapur wegen der FT-Phase 1 Vorwürfe. Es seien „lediglich“ die nach lokalen Buchhaltungsstandards erstellten 2017er Bilanzen aufgrund fehlender Belege nicht testierbar gewesen, während die nach internationalem Standard erstellte IFRS-Konzernbilanz für 2017 testierbar gewesen sei und ein uneingeschränktes Bestätigungsvermerk erhalten hätte. Von der gleichen E&Y, die in Singapur ihr Testat verweigert hat.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Im Wortlaut von Wirecard:
„Hinsichtlich eines gestern Abend erschienenen Zeitungsartikels dürfen wir Folgendes korrigierend anmerken: Für die Wirecard-Gruppe ist der Konzernabschluss nach IFRS maßgebend. Dieser wurde für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 von Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und uneingeschränkt testiert.
Nichtsdestotrotz wurde auch der lokale Abschluss für das Geschäftsjahr 2017 nach lokalem Rechnungslegungsstandard (SFRS) geprüft. Aufgrund der Einschränkungen durch die Ermittlungen (und nicht wie fälschlich in dem Artikel suggeriert durch Unregelmäßigkeiten) in Singapur waren Dokumente teilweise nicht zugänglich, sodass sich der lokale Prüfer auf Basis geltendem lokalen Rechnungslegungsstandard kein abschließendes Prüfungsurteil bilden konnte. Der lokale Abschluss wurde jedoch im Rahmen der Möglichkeiten ordentlich geprüft.
Für die Prüfung des Konzernabschlusses nach IFRS waren diese Einschränkungen nicht relevant. Die von Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erteilten uneingeschränkten Bestätigungsvermerke zu den Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 bleiben daher davon unberührt. Sämtliche Veröffentlichungspflichten wurden ordnungsgemäß eingehalten. So wurde auch der Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Einzelabschlussprüfung in Singapur im entsprechenden Unternehmensregister ordentlich veröffentlicht. Der lokale Abschluss für das Geschäftsjahr 2018 ist kurz vor Fertigstellung.“
Und Business as usual
Zusätzlich gab es gestern neben der Stellungnahme zum Nichttestat eine – an normalen Tagen – spannende und zukunftsweisende Unternehmensnachricht, die wir nicht vorenthalten möchten und heute gerne nochmals wiederholen.. Sollte sich jemals der Nebel der Vorwürfe – hoffentlich nach dem KPMG-Bericht – gelichtet haben, dann ist diese sehr relevant. Relevanter als nichterteilte Testate für eine Tochtergesellschaft, die bereits Gegenstand umfangreicher Überprüfungen seitdem war und diese – mit Schrammen – relativ gut überstanden hat. Jedenfalls:
„Wirecard, der global führende Innovationstreiber für digitale Finanztechnologie, und Bank Mandiri, eine der größten Banken Indonesiens, arbeiten zusammen, um digitale Finanzlösungen für Unternehmenskunden anzubieten. Gemeinsam mit Wirecard führt Bank Mandiri ab sofort einen neuen Service für ihre 27.000 Firmenkunden ein, der für optimierte Zollzahlungsprozesse sorgt und direkt mit der indonesischen Generaldirektion für Zoll und Verbrauchsteuern (DJBC) verknüpft ist. Bank Mandiri betreibt mehr als 2.620 Filialen im In- und Ausland und erzielte 2018 einen Konzerngewinn von 1,6 Milliarden Euro.
Der „Customs Management“-Service ist eine neue Funktion der Mandiri Cash Management (MCM)-Lösung, die auf Wirecard-Technologie basiert und allen Firmenkunden zur Verfügung steht.( …) Die neue Payment-Lösung ist Ergebnis der Integration der indonesischen Generaldirektion für Zoll und Verbrauchsteuern (DJBC) mit Bank Mandiri über offene Schnittstellen. So können Firmenkunden schnell und einfach DJBC-Rechnungen suchen, ihren Status überprüfen und Zahlungen durchführen. Sie profitieren von Echtzeitinformationen, schnelleren Transaktionszeiten und effizienteren Zahlungsprozessen und vermeiden damit doppelte Zahlungen.
„Neben unserem starken Angebot im Bereich Finanzdienstleistungen wollen wir auch die finanziellen Anforderungen der Generaldirektion für Zoll und Verbrauchsteuern erfüllen“, kommentiert Dadang Ramadhan, SVP Government and Institutions bei Bank Mandiri. „Über die Hälfte der indonesischen Zollzahlungen werden bereits über unseren MCM-Kanal abgewickelt. Dank unserer Kooperation mit Wirecard werden wir die Nutzerzahlen weiter steigern können.“
„Wir sind stolz darauf, mit Bank Mandiri eines der größten Finanzinstitute Indonesiens bei der Digitalisierung seines Angebots zu unterstützen“, ergänzt Oliver Quadt, Managing Director Indonesia & VP Business Integration Asia bei Wirecard. „Wir freuen uns, dass sich Bank Mandiri für uns als Technologieanbieter entschieden hat. Gemeinsam haben wir das Ziel, die Erwartungen und Anforderungen unserer gemeinsamen Unternehmenskunden weiterhin zu übertreffen.“
Schade diese Nachricht geht heute unter, leider findet sie auch bei uns nicht die notwendige Würdigung, sondern wir wenden uns den – zumindest aktuell – kursrelevanteren Entwicklungen zu:
Vorspiel
Wir erinnern uns, aufgrund der damaligen FT-Vorwürfe waren vor Ort in Singapur zweimal die Räumlichkeiten durchsucht worden, Ermittlungen der Behörden liefen, der Verantwortliche vor Ort wurde von Wirecard „entsorgt“ und es wurden letztendlich Unregelmäßigkeiten festgestellt. Zwar lange nicht im Umfang der FT-Vorwürfe, aber es gab durchaus etwas zu finden. Es wirkte sich aber „nur“ im einstelligen Millionenbereich in der Bilanz des Wirecard-Konzerns aus.{loadmodule mod_custom,Nebenwerte – Anzeige in Artikel (Google)}
Und jetzt KEIN TESTAT
Jetzt fand man vom Handelsblatt heraus, das die bei den Behörden hinterlegten Bilanzen (analog der Bilanzhinterlegung der Deutschen Gesellschaften, die auch jedem öffentlich zugänglich sind) der Singapurtochter für 2017 kein Testat des Wirtschaftsprüfers erhalten haben – fehlende Nachvollziehbarkeit und fehlende Belege seien der Grund. Eine Testatsverweigerung ist ein schwerwiegender, nicht leichtfertig vollzogener Akt. Aber kann vorkommen: „Bessser eine Bilanz ohne Testat als eine Fristüberschreitung mit entsprechenden Bußen“, „Bilanz ohne Testat, weil der/die Verantwortliche chaotisch gearbeitet hat und die einzelnen Buchungsschritte nicht mehr nachvollziehbar sind“, „Einmaliger Vorgang, um die -von den Einzelbilanzen abhängige – Konzernbilanz nicht unnötig zu verzögern, um größere Unsicherheiten zu vermeiden.“ Es könnte viele Gründe geben. {loadmodule mod_custom,Sentifi Text Widget}
Letztendlich egal, solange…
…der für die Konzernbilanzen-Prüfung zuständige Partner/ die Partner von E&Y trotz des versagtenTestats für eine Tochtergesellschaft – und da diese Versagung ebenfalls von der jeweils lokalen E&Y-Einheit durchgeführt wurde ist den Konzernprüfern die Versagung transparent und bestimmt ausführlich erläutert worden – die Konzernbilanz UNEINGESCHRÄNKT TESTIERT HABEN. Man hat also die Bilanzrelevanz dieser – hoffentlich singulären – Versagung als nicht konzernbilanzrelevant eingestuft. so weit, so gut, naja. Selbst als Wirecard sekundiert von E&Y die Singapurvorwürfe der FT zurückwies, hielt es der Verantwortliche von E&Y nicht für notwendig, warum auch immer, auf die Testatsversagung respektive über die seinerzeit berichteten Unregelmäßigkeiten hinaus, Hinweise zu geben. Also im ersten Schritt ist diese Nachricht über die Testatsverweigeung für die Singapurtochter ohne größere Relevanz für die Glaubwürdigkeit der Konzernzahlen. Insbesondere wurde der Verantwortliche in Singapur ja bereits beurlaubt respektive entlassen.
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Der angeschlagene Kurs der Wirecard wird den Verantwortlichen des Unternehmens die – leider wiederholt gezeigte – (mindestens) Unbeholfenheit bei der Kommunikation nicht danken, wobei sich gestern die gewählte Strategie auszahlte und die große Kurskatatstrophe ausblieb, nach anfänglichem Abtauchen bis 109,00 EUR ging es wieder nach oben. Angemessen, da die Bedeutung des Nichttesttas für Wirecards Zukunft relativ uninteressant ist, insbesondere wenn 2018, das ja laut Wirecard kurz vor Testierung in Singapur stehe, vorliegt.
Aktuell (21.11.2019 / 07:40 Uhr) notierten die Aktien der Wirecard AG im XETA-Handel zum Schluss gestern um 17:35 Uhr mit einem Minus von -3,09 EUR (-3,75 %) bei 117,50 EUR. Das hätte auch schlimmer kommen können.