APONTIS PHARMA CEO Karlheinz Gast nachgefragt – nach der überraschenden Prognosereduktion für 2023. „Unsere Mittelfristprognose bleibt unverändert“

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Karlheinz Gast (Chief Executive Officer (CEO) APONTIS PHARMA AG) APONTIS PHARMA: „Unsere Mittelfristprognose bleibt unverändert“
Die APONTIS PHARMA (ISIN: DE000A3CMGM5) hat ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr nach unten angepasst. Lieferschwierigkeiten bei einem Auftragshersteller und Verzögerungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) drücken temporär auf Umsatz und Gewinn. Ungeachtet der aktuellen Herausforderungen schraubt das Unternehmen seine Pipeline weiter nach oben. Mehr noch: Das Versprechen vom Börsengang, bis 2026 mindestens 20 Single Pills im Markt zu haben, löst APONTIS PHARMA voraussichtlich früher ein als geplant. Entsprechend hält das Unternehmen an seinen Wachstumsambitionen fest. Die Basis für den Erfolg soll eine Drei-Säulen-Strategie legen. Aktuell sehen die Analysten von Montega den fairen Wert der APONTIS-PHARMA-Aktie bei 20,00 EUR, Warburg Research vergibt ein Kursziel von 26,00 EUR.

Welche Auswirkungen die aktuellen Herausforderungen haben, warum die Mittel- und Langfristziele dadurch voraussichtlich nicht beeinträchtigt sind und was es mit der Drei-Säulen-Strategie auf sich hat, erklärt Karlheinz Gast, CEO bei APONTIS PHARMA, im Interview mit dem Nebenwerte Magazin.

Herr Gast, vergangene Woche haben Sie den Kapitalmarkt mit einer Prognoseanpassung „überrascht“. Sie haben drei Gründe für die auf EUR 42,6 Mio. reduzierte Umsatzerwartung (bisher: EUR 51,7 Mio.) und die neue EBITDA-Prognose von EUR -3,2 Mio. (bisher: EUR 3,2 Mio.) genannt. Zuerst einmal nennen Sie Lieferschwierigkeiten bei einem Hersteller. Könnten Sie das näher erläutern?

Karlheinz Gast: Die Lieferschwierigkeiten betreffen ausschließlich die Single Pill Atorimib. Die Engpässe sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass unser beauftragter Hersteller im November 2022 mit einer starken Infektionswelle seiner Belegschaft in seiner Produktionsstätte zu kämpfen hatte. Daher konnte er seine Schichten nicht besetzen. Zudem fiel Anfang Dezember noch die Verpackungsmaschine für mehrere Tage aus, was einen weiteren Stillstand verursachte. Das führte dazu, dass wir keinen Sicherheitsbestand bei Atorimib aufbauen konnten.

Und weil Atorimib, trotz der Tender, im ersten Quartal 2023 besser gelaufen ist als erwartet, konnten wir von der besseren Entwicklung nicht profitieren, da unser Hersteller uns zum Zeitpunkt der Ad-hoc-Meldung unerwartet nicht die benötigten Liefermengen für das Geschäftjahr 2023 garantieren konnte, um die in unserer Prognose erwarteten Atorimib-Umsätze zu erreichen.

Über welche Dimension sprechen wir hier?

Karlheinz Gast:  Wir haben für 2023 mit Atorimib einen Umsatz von rund 14 Mio. Euro kalkuliert. Mit der tatsächlich vom Hersteller zugesagten Menge kommen wir im laufenden Jahr aber nur auf rund 9 Mio. Euro. Alles, was wir über die aktuell zugesagten Mengen bekommen, wird sich eins-zu-eins im Umsatz und zu 70 Prozent beim EBITDA auswirken.

Wie langfristig können die Herausforderungen anhalten und wie haben Sie das in Ihrer Prognose berücksichtigt?

Karlheinz Gast: In unserer Prognose ist berücksichtigt, dass wir keine weiteren Lieferungen über die zugesagten Mengen für einen Umsatz von 9 Mio. Euro erhalten. Das heißt, wir gehen von einem Worst-Case-Szenario aus, haben aber die Hoffnung, dass wir besser abschneiden können. Wir werden kontinuierlich mit Atorimib beliefert, aber eben nicht in dem Maße, wie wir es uns vorstellen. Deshalb können wir der aktuellen Nachfrage des Marktes nicht vollumfänglich nachkommen.

Wir gehen aber davon aus, dass dieser Engpass kurzfristiger Natur ist. Denn der Hersteller hat aufgrund der extrem hohen Nachfrage nach Atorimib in Deutschland und in Europa reagiert und zusätzliche Kapazitäten aufgebaut. Er hat seine Produktion für Atorimib von einem Zweischichtbetrieb bei einer Fünf-Tage-Woche auf einen Drei-Schicht-Betrieb bei einer Sieben-Tage-Woche ausgeweitet. Zusätzlich qualifiziert der Hersteller einen weiteren Produktionsstandort. Aufgrund der Kapazitätserweiterungen gehen wir also davon aus, dass sich die Situation im Laufe des vierten Quartals 2023 wieder entspannt und wir in 2024 wieder vollumfänglich lieferfähig sein werden.

Als zweiten Grund nennen Sie in Ihrer Ad-hoc eine „Zulassungsverzögerung“ bei der wichtigsten Neueinführung des Jahres 2023. Dazu führen Sie aus: „Nach den geltenden Zulassungsrichtlinien für dezentrale europäische Verfahren sollte das BfArM innerhalb einer Frist von 30 Tagen die nationale Phase durchführen und die Zulassungsbescheide ausstellen. Die europäische Zulassung für dieses Produkt liegt bereits seit Frühjahr 2022 vor.“ Kann Apontis Pharma an dieser Stelle nicht beschleunigend eingreifen?

Karlheinz Gast: Das Produkt, um das es sich handelt, ist die neue Single Pill AP-D 12, die wir im Februar 2023 einlizenziert haben. Ab da waren wir in den Prozess mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingebunden. Wir haben frühzeitig den Kontakt mit dem BfArM gesucht und inzwischen ist die Zulassung für die Single Pill auch erteilt. Allerdings kam das grüne Licht später als von uns erwartet.

Die nationale Phase war in diesem Fall außerordentlich lange. Dies führte dazu, dass wir unserem Hersteller nicht rechtzeitig eine Produktionszusage geben konnten, woraufhin dieser seine Kapazitäten anderweitig vergeben hat. Daher konnten wir die Single Pill nicht rechtzeitig auf den Markt bringen. Wir rechnen aber spätestens im vierten Quartal mit einer Markteinführung. Was den konkreten Fall der Verzögerung betrifft, so beziffern wir den durch die Verzögerung entgangenen Umsatz auf rund zwei Mio. Euro in 2023.

Sind rechtliche Schritte gegen das BfArM denkbar oder handelt es sich um reine „Soll“-Vorschriften ohne Rechtsanspruch? Über welches potenzielle Umsatzvolumen reden wir hier?

Karlheinz Gast: Im Prinzip handelt es sich, wie Sie sagen, um reine „Soll-Vorschriften“ ohne Rechtsanspruch. Für uns ist es aber unverständlich und auch nicht nachvollziehbar, dass geregelte Fristen so lange überschritten werden. Wir legen aber großen Wert darauf, weiterhin mit den dortigen Verantwortlichen im Austausch zu sein, um solche Verzögerungen in Zukunft zu vermeiden. Zusätzlich ist auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller aktiv, um die Situation bei den nationalen Zulassungsverfahren zu verbessern.

Und als dritten Grund nennen Sie „verzögertes Umsatzwachstum“. Welche Produkte sind betroffen und was sind die Gründe?

Karlheinz Gast:  Das geringere Umsatzwachstum betrifft die im vergangenen Jahr neu eingeführten Produkte AmloAtor, RosuASS und TonotecLipid. Sie wurden später eingeführt als ursprünglich geplant und sind etwas geringer gewachsen als erwartet. Entsprechend blieben die genannten Produkte bislang umsatzseitig noch hinter den Erwartungen zurück.

Wie „singulär“ sind die Gründe für die Prognoseanpassung?

Karlheinz Gast: Die aktuelle Herausforderung ist definitiv ein Ausnahmefall. Ich arbeite nun schon mehr als 35 Jahre in der Pharma-Industrie und habe eine solche Situation noch nicht erlebt. Bei den genannten Gründen ging es schlicht immer um den Faktor Zeit. So resultieren die Lieferschwierigkeiten bei Atorimib ja nicht daraus, dass keine Wirkstoffe oder kein Material vorhanden waren. Es waren einfach nicht ausreichende Produktionskapazitäten vorhanden, um den Bedarf zu decken.

Insgesamt sind wir in Sachen „Produktion“ gut aufgestellt, da wir insgesamt mit acht verschiedenen Herstellern zusammenarbeiten und so eine vernünftige Risikostreuung haben. Bei den Wirkstoffen legen wir Wert darauf, dass für jede Single Pill möglichst zwei Wirkstoff-Quellen für jede Substanz vorhanden sind. Denn Wirkstoff-Knappheit durch unterbrochene Lieferketten ist eine größere Herausforderung als die Produktionskapazitäten in der Herstellung.

Beeinflussen die aktuellen Herausforderungen Ihre Mittel- und Langfristplanung wesentlich? Wo sehen Sie Apontis Pharma in fünf Jahren?

Karlheinz Gast: Nein, die momentanen Herausforderungen werden unsere geplanten Aktivitäten und die Mittel- und Langfristplanung voraussichtlich nicht beeinträchtigen. Das liegt daran, weil wir in Deutschland hervorragend im Markt positioniert sind und bereits voraussichtlich in 2025 – und damit ein Jahr früher als geplant – mindestens 21 Single Pills im Markt haben werden. Damit erfüllen wir unser zum Börsengang angekündigtes Mittelfristziel, bis 2026 mindestens 20 Single Pills im Markt zu haben, deutlich schneller. Zusätzlich haben wir digitale Tools entwickelt, die die Ärzte bei der Substitution von losen Kombinationen durch Single Pills unterstützen. Deshalb halten wir an unserem Ziel fest, in 2026 einen Umsatz von rund 100 Mio. Euro zu erreichen. Wir sind optimistisch, dass wir unsere Vision, die Single Pill als Goldstandard zu etablieren, erfüllen werden, allein schon deshalb, weil es dafür handfeste Gründe gibt.

Und welche wären das?

Karlheinz Gast: Der Single Pill-Erfolgsweg basiert auf drei Säulen:

Die erste Säule ist die wissenschaftliche Dokumentation des Nutzens der Single Pill für Patienten, Ärzte und das Gesundheitssystem. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien (z. B. START, START 2, SECURE, NEPTUNO), die den großen Nutzen des Single Pill-Therapiekonzeptes wissenschaftlich belegen. Wie wir in Marktforschungs-Untersuchungen sehen konnten, hat dies auch schon zu einer zunehmenden Akzeptanz in der deutschen Ärzteschaft geführt. Davon werden wir operativ profitieren.

Die zweite Säule für unser Wachstum ist unser breites Single Pill-Portfolio und unsere vielversprechende Pipeline. Zu den derzeit zehn Single Pills, die bereits im Markt sind, haben wir 15 weitere Single Pills zur Markteinführung angekündigt. Gleichzeitig führt die alternde Gesellschaft zu einem steigenden Bedarf an Therapien, für die wir Single Pills anbieten. Dies wird natürlich auch die Umsatzentwicklung unserer Single Pills positiv beeinflussen. Durch unsere guten Markt- und Therapiekenntnisse verwenden wir in unseren Single Pills die marktführenden Substanzen, deren Anteil an den jeweiligen Therapie-Kategorien ständig wächst. Da die Verbesserungsmöglichkeiten ausgereizt sind, veralten die Substanzen nicht und bieten langfristiges Potenzial.

Und die dritte Säule?

Karlheinz Gast: Die dritte Säule betrifft die Einführung strukturierter Substitutionsprozesse. Wir unterstützen dabei die behandelnden Ärzte mit digitalen Tools, damit sie einfacher Patienten identifizieren können, die passende lose Kombinationen einnehmen und für die eine Single Pill infrage kommen.

Aufgrund dessen sehen wir uns als APONTIS PHARMA bestens für die Zukunft gerüstet, um die „Single Pill als Goldstandard“ zu etablieren und um unsere Wachstumsambitionen zu erfüllen.

Herr Gast, vielen Dank für das Gespräch.
Karlheinz Gast Vorstandsvorsitzender / CEO Apontis Pharma AGKarlheinz Gast | Vorstandsvorsitzender / CEO APONTIS PHARMA AG

Über APONTIS PHARMA:
Geburtsjahr: 1956
Nationalität: deutsch
Wohnort: Dörentrup
Im Vorstand seit: April 2021
Bestellt bis: 2026
Karriere
Seit April 2021: Vorstandsvorsitzender, APONTIS PHARMA AG
2018 – 2021: Geschäftsführer, APONTIS PHARMA GmbH & Co KG
2016 – 2018: Geschäftsführer, UCB Pharma GmbH
2007 – 2016: Senior Director BU Internal Medicine, UCB Pharma GmbH
1997 – 2007: Sales Director, Schwarz Pharma Deutschland
1995 – 1997: Geschäftsleiter der BU Herz- Kreislauf, Asta Medica
1991 – 1995: Geschäftsleiter der BU Respiratory, Klinge Pharma (Fujisawa)
1989 – 1991: Produktgruppenleiter Respiratory, Klinge Pharma (Fujisawa)
1988 – 1989: Produktmanager Respiratory, Klinge Pharma (Fujisawa)
1986 – 1988: Pharmareferent, Klinge Pharma (Fujisawa)

Über die APONTIS PHARMA AG

Die APONTIS PHARMA AG ist ein führendes Pharmaunternehmen in Deutschland, das sich auf Single Pills spezialisiert hat. Single Pills vereinen zwei bis drei patentfreie Wirkstoffe in einem Kombinationspräparat, das einmal am Tag eingenommen wird. APONTIS PHARMA entwickelt, vermarktet und vertreibt ein breites Portfolio an Single Pills und anderen Arzneimitteln, mit besonderem Fokus auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Seit 2013 hat APONTIS PHARMA erfolgreich mehrere Single Pills allein für kardiovaskuläre Indikationen wie Hypertonie, Hyperlipidämie und Sekundärprävention eingeführt. Mit ihrem Hauptsitz in Monheim am Rhein befindet sich APONTIS PHARMA im Herzen der stärksten Pharma- und Chemieregion Europas. Von hier aus pflegt das Unternehmen ein breites Netzwerk mit forschenden Pharmaunternehmen und einer Kundenzielgruppe von rund 25.000 Ärzten in Deutschland. Weitere Informationen über APONTIS PHARMA finden sich unter www.apontis-pharma.de.


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